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Die schlafende Stadt

Die schlafende Stadt

Titel: Die schlafende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steiner
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doch jetzt konnte er die doppelflügelige Tür erkennen. Lautlos drehte er den Türknauf und schlüpfte durch den Türspalt aus dem Zimmer. Er gelangte in eine schwarzweiß gekachelte, langgezogene Diele, die auf beiden Seiten von mehreren Türen gesäumt war. Am einen Ende des Ganges schloss sich eine Art Foyer, mit einer wuchtigen Eingangstür mit zahlreichen Pflanzenornamenten aus vielfarbigem Glas an. Die Tür am anderen Ende hatte ebenfalls einen Durchbruch, dieser war aus geätztem Glas, durch das Darius verschwommen die Küche erkennen konnte. Er beschloss, diese als nächstes zu erkunden.
    Ein schwacher Geruch von geschmorten Zwiebeln hing noch in der Luft. Der Herd roch nach verkohltem Holz und war sogar noch ein wenig warm. In der Spüle standen noch die Überreste des Abendessens, zwei leere Suppenteller, und zwei Kelchgläser, die noch ein wenig nach Weißwein dufteten. Darius benetzte seinen Finger und spürte die angenehme Säure in seinem Mund. Dort! In der Ecke stand der Ursprungsort des wunderbaren Geschmackes auf seiner Zunge, die noch zu etwa einem Drittel volle Champagnerflasche, auf einem Tablett. Daneben lagen noch eine halbe Scheibe Weißbrot und zwei übriggebliebene Scheiben eines mageren Schinkens. Den roten Saft in der kleinen Schüssel, die daneben stand, identifizierte er schnell als den von Erdbeeren. Darius konnte sein Glück kaum fassen. Er füllte sich einen Weinkelch mit etwas Champagner, biss dazu lustvoll in das Brot und kostete auch den Schinken.
    Er genoss jeden Schluck, war andächtig bei jedem Bissen. Eine lang erlittene Sehnsucht lies ihn wissen um die Kostbarkeit eines jeden Momentes. Wie ungewöhnlich und doch so vertraut, etwas hinunterzuschlucken!
    Er wollte sich gerade daran machen, die Flasche vollends zu leeren, als ein entferntes Geräusch die sommerliche Stille unterbrach. Aufmerksam und angespannt lauschte er. Was mochte die Wohnung wohl noch alles bereithalten? Er öffnete die Seitentür der Küche und gelangte in einen weiteren Raum, der wohl als Esszimmer gedacht war. Ein großer, ovaler Tisch, darüber ein fünfflammiger Deckenleuchter mit offenbar rosa- bis violettfarbenen Glastulpen. Auch hier zahlreiche, kleinere Möbel, eine schmale Anrichte und ein größeres Geschirrregal von geringer Tiefe, in das viele unterschiedlich bemalte Porzellanteller eingeordnet waren. In der Ecke eine Vitrine, die mehrere Flaschen und kristallene Karaffen enthielt, angefüllt mit diversen Jahrgängen von Cognac, Armagnac, Portwein, Whisky und verschiedenen klaren Obstbränden und Likören. Darius widerstand dem Impuls, auch hier Verkostungen vorzunehmen, denn er befürchtete, dadurch etwas zu versäumen.
    Die weiß lackierte Doppeltür zum angrenzenden Raum war verschlossen, doch Darius durchschritt sie einfach, wehte durch sie hindurch, und befand sich nun im eigentlichen Schlafzimmer. Dort lag sie.
    Kein Gefühl, kein Eindruck kam dem gleich, was Darius in diesem Augenblick durchströmte. Keine Worte, die die Schönheit hätten beschreiben können, die vor ihm lag. Jung war sie, etwa 20 Jahre alt, mädchenhaft und doch erwachsen, schlank und doch voll in den weiblichen Formen, ernst und doch in der Fülle freudigen Lebens. Sie lag auf dem Rücken, die Augen fest geschlossen, die sanft geschwungenen Lippen leicht geöffnet, den einen Arm über dem Kopf angewinkelt. Die dunklen, langen Haare hatten sich wie ein Fächer auf dem Kopfkissen verteilt, und das Betttuch war bis zum Becken hinunter gerutscht, so dass ihr schlanker Körper unter dem dünnen Nachthemd zu sehen war, der darunter leicht und entspannt atmete.
    Das Mondlicht schien silbern auf das Bett und auf die makellose Gestalt. Darius vergaß zu atmen. Sein Herz klopfte bis zum Hals, sein ganzer Körper schien paralysiert, bis er schließlich in der Lage war, sich dem Bett zu nähern.
    Er kniete nieder. Ihre Gesichter waren nun ganz nah beieinander, er spürte ihren Atem. Sie duftete ganz dezent nach Rosen, ihr Haar roch nach Heu und Sonne.
    Darius streichelte sie. Seine Hand glitt vorsichtig, noch ganz scheu über ihren Kopf, mit dem Zeigefinger der anderen Hand berührte er ihre Schläfe und strich schüchtern über ihre Wange.
    Sie schlief tief und fest. Darius wurde mutiger. Er vergrub sein Gesicht in ihrem Haar, atmete den köstlichen Duft. Seine andere Hand streichelte ihren schlanken Nacken, ihre Schulter, ihren Arm bis hin zu ihrer Hand und wieder zurück. Sie schien etwas davon zu spüren, denn sie

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