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Die schlafende Stadt

Die schlafende Stadt

Titel: Die schlafende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steiner
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Schachtelsätze, ungeschickte Formulierungen, es wimmelte von Rechtschreibfehlern und Wiederholungen, und eine genaue Durchsicht würde mindestens eine Stunde dauern, wenn es sich denn lohnte.
    Robin war aber schon weiter: „Du hast doch für deine Werke auch einen Agenten. Kannst du mir seine Nummer geben? Ich brauche eine seriöse Anlaufstelle für die Veröffentlichung.“
    Berthold wollte seinen Ohren nicht trauen. Was für eine Anmaßung! Was bildete sich dieser aufgeblasene Kerl eigentlich ein?
    „Bevor du an eine Veröffentlichung denkst, muss du dein Werk erstmal gegenlesen lassen, dann auch mal ruhen lassen, um es dann aus der Distanz noch mal zu reflektieren. Das mache ich auch nicht anders.“
    „Deshalb bin ich ja hier! Sag’ mir einfach, was ich an Veränderungen und gegebenenfalls Korrekturen vornehmen muss!“
    Berthold hielt ihm die Seiten hin.
    „Rechtschreibfehler raus, Wiederholungen ausmerzen, und stilistisch noch mal überprüfen.“
    „Hey, das ist ja wohl ein bisschen spärlich.“
    „Mehr geht in fünf Minuten leider nicht, sorry.“
    Robin war aber bereits ganz in seinem Element.
    „Was hältst du von diesem Abschnitt hier?“ fragte er eifrig, „schau mal, dieser Dialog. Ich dachte, hier könnte man noch etwas einfügen, um die Dramatik zu erhöhen.“
    Er ließ sich jetzt auf einem Stuhl nieder. Sei dicker, beringter Finger tippte auf einen Abschnitt auf Seite zwei.
    Berthold riss jetzt endgültig der Geduldsfaden.
    „Robin“, sagte er jetzt sehr bestimmt, „die fünf Minuten sind um. Für genauere Analysen brauche ich ein bis zwei Stunden, und dafür habe ich jetzt nicht die Zeit. Wir könne gerne einen Termin vereinbaren, aber bitte lass mich heute damit in Frieden.“
    „Das hattest du bereits artikuliert“, versuchte Robin zu beschwichtigen, „aber für dich sind das doch nur noch drei Minuten! Schau doch mal, diese Stelle hier ...“
    „Es ist Schluss für heute“, sagte Berthold scharf. „Ich habe dir jetzt schon dreimal gesagt, dass ich keine Zeit habe! Wieso belästigst du mich immer noch?!“
    „Jetzt mach’ mal halblang“, entgegnete Robin brüskiert, „was machst du für ein Theater wegen der paar Seiten! Für einen wie dich ist das doch eine Kleinigkeit!“
    „Eben nicht“, sagte Berthold kurz. „Würdest du uns jetzt bitte alleine lassen?“
    Robin sah jetzt geknickt drein.
    „Gib mir wenigstens die Adresse von deinem Agenten“, sagte er dann. „Wenn ich als dein Freund deinen Namen nenne ...“
    „Mit meinem Agenten hast du nichts zu schaffen“, sagte Berthold, der jetzt entgegen seiner sonstigen Prinzipien beschloss, richtig unangenehm zu werden, „ich werde einen Teufel tun, meine mühsam erarbeiteten Verbindungen mit dir zu versauen! Lern’ erstmal schreiben! So einfach, wie du dir das vorstellst, geht das nun mal nicht.“
    Robin bekam wieder seine schmalen Augen. Zuckend verkrampfte sich seine Oberlippe. Ein anderes Gesicht erschien für eine kurzen Moment hinter dem, das normale Augen sehen können. Berthold erkannte ein höhnisches, brutales Gesicht, das er von irgendwoher kannte.
    „Du sitzt auf einem verdammt hohen Ross“, bemerkte Robin leise.
    „Mag sein. Jetzt mach die Tür bitte von außen zu.“
    Robin schenkte Berthold einen verächtlichen Blick. Dann packte er sein Geschreibsel wortlos ein und trollte sich, ohne sich umzuwenden. Berthold atmete tief durch, als er die Wohnungstür knallen hörte.
    Tim sah ihn ungläubig an.
    „Was, zum Teufel, war das denn für ein Arschloch?“

    „Er muss ja ein wundervoller Mann sein.“
    Esther blickte forschend zu Leni hinüber, die heute Nacht aussah wie das blühende Leben – und mehr als das.
    Leni blickte halb überrascht, halb belustigt. Sie hatte Esther noch gar nichts erzählt, lachte aber bei dem Gedanken, dass man ihr ihre Verliebtheit offenbar ansah. Sie schwebte wie auf Wolken, und nur die konkrete Realität ihrer Arbeit hielt sie davon ab, ständig von Berthold zu träumen.
    „Oh ja, das ist er!“
    „Kenne ich ihn?“
    Esther war jetzt neugierig. Am liebsten hätte sie jetzt jedes Detail erfahren. Dass der anstrengende Nachtdienst heute so spannend sein könnte, hatte sie nicht erwartet. Sie zwirbelte eine ihrer dunklen Haarlocken, wie immer, wenn sie sehr konzentriert war.
    „Nein, ich glaube nicht.“ Lenis Wangen färbten sich rot.
    „Was macht er? Wie alt ist er? Ist er groß? Blond oder dunkel?“
    „Er ist nicht außergewöhnlich groß, aber größer als ich. Er

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