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Die schlafende Stadt

Die schlafende Stadt

Titel: Die schlafende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steiner
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brauchen Menschen ein Regelwerk. Aber nicht unbedingt eines dieser Prägung hier. Es geht viel zu weit. Und ich glaube, dass ein Mensch gesundet, wenn er in Verbindung ist zu den Menschen, die er liebt. Wenn er weiß, dass er dazugehört.“
    „Ich könnte alle Wachen renaturieren lassen“, sagte Harald.
    „Es wäre besser, wenn sie ihre Kutten und Helme ablegten.“
    „Dann verliere ich meine Macht über sie. Sie fingen an, wieder Individuen zu werden. Sie würden womöglich selbständig denken.“
    „Meinst du denn, es gibt eine Zukunft mit einer Armee von seelenlosen, blind gehorsamen Knechten? Was würde passieren, wenn nicht du, sondern jemand anderes sie befehligte?“
    „Das, was passiert ist. Olovs Reich, so wie ich es vorgefunden habe.“
    „Ein Reich der Dumpfheit und des Schlafes in ewiger Finsternis.“
    „Ja.“
    „Und? Ist das erstrebenswert?“
    „Nein. Es muss aufhören.“
    „Es macht mich glücklich, dass wir uns einig sind. Dann ist dies wirklich der Beginn des neuen Zeitalters, von dem Uriel sprach.“

Unter der Linde an der Heide
wo unser beider Bette war
dort könnt ihr finden, liebevoll
gebrochen Blum’ wie Gras
vor dem Walde in einem Tal -
Tandaradei!
sang schön die Nachtigall.
Ich kam gegangen zu der Aue,
wohin mein Liebster ward gekommen.
Als hehr’ Geliebte wurd’ ich empfangen,
daß ich für immer sollt glücklich sein.
Küsste er mich? Wohl tausendmal!
Tandaradei!
Seht, wie rot mir ist der Mund!
Dort hatte er gemacht so reich
aus Blumen eine Bettestatt,
darüber würd’ gelacht von Herzen,
käm’ jemand entlang denselben Pfad.
An den Rosen mag er wohl,
Tandaradei!
erkennen, wo mein Kopf geruht.
Wüßt’ jemand, daß er bei mir lag,
Gott behüt! - so schämt’ ich mich,
nie niemals wer erfahre das,
was er mir gab, nur er und ich,
und ein kleines Vögelein,
Tandaradei!
das wird wohl verschwiegen sein.
    WALTHER VON DER VOGELWEIDE

    A ls Clara Hofmeister 1683 starb, war Benedikt gerade dreizehn Jahre alt. Christoph war zehn, Maria acht, und Gertrud war eben erst fünf Jahre alt geworden.
    Erst kam die Schwäche, der schwere Atem. Dann das Husten. Dann das Blut. Blass und ausgemergelt war sie, als ihre arbeitsamen, zärtlichen Hände für immer ruhten, sich ihre liebevollen Augen für immer schlossen.
    Für Benedikt war es nie eine Frage, was er nun zu tun hatte. Seit sein Vater von seiner letzten Reise nicht zurückgekehrt war, hatte er ohnehin alle Pflichten übernommen, die er erfüllen konnte. Dies war nun schon mehr als fünf Jahre her, und seitdem hatte er sich vielerorts für Arbeit verdungen und brachte so manchen Kreuzer nach Hause.
    Im größten Unglück erwies es sich als gnadenreich, dass er immer wieder im benachbarten Kloster der heiligen Franziskaner für vielerlei Arbeiten gebraucht wurde. Da er geschickt und schnell war, hatte er alsbald das Wohlwollen der Mönche erworben, und so gab es fast immer etwas zu tun, wenn er dort vorsprach. Er assistierte bei den Schlachtungen, wusch die Därme, erntete Äpfel, trug die Mehlsäcke, und begleitete die Mönche auf den Markt, wo er auf die Stände achtgab und beim Ein- und Ausladen tüchtig mithalf. Mehrfach in der Woche kam er nach Hause und hatte so manche Wurst im Gepäck, zumeist aber ein gutes Stück Brot, zuweilen Käse oder Milch, und an Feiertagen gar einen Krug Bier und etwas Schmalzgebäck.
    Vor allem brachte er Christoph seine Medizin. Pater Medardus stellte in seinem Labor hunderte von Arzneien her, deren Zutaten er teilweise aus seinem üppigen Kräutergarten bezog, aber auch immer von Wanderungen durch die Berge mitbrachte. Hin und wieder brachte ein Bote Kisten mit Spezereien und Materialien aus fernen Ländern, deren Wirkungen der Pater selbst erforschte, weil es noch keinerlei Wissen über deren Nutzen gab.
    Auch Benedikts Vater hatte stets große Mengen von seltenen Pflanzen und Wurzeln mitgebracht und das Kloster und die Apotheker der Stadt damit beliefert. Ob gerade sie in jenem Mittel waren, das er Christoph immer einflößte, wenn dessen Zittern begann, seine Lippen sich blau färbten und alle seine Gliedmaßen sich verdrehten und verkrampften, wusste er nicht.
    Dann begann er Pater Medardus nach und nach zu fragen.
    „Oh, er ist wissbegierig? Nun, ich verwende Radix Valerianæ , die Baldrianwurzel. Du wirst, auch zu meinem Kummer, bemerkt haben, dass sie seinen armen Bruder nicht wirklich heilt. Doch es verschafft ihm etwas Linderung.“
    Benedikt stellte noch mehr

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