Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die schlafende Stadt

Die schlafende Stadt

Titel: Die schlafende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steiner
Vom Netzwerk:
dann sah er Benedikts verschüchtertes Gesicht.
    „Vergib mir“, sagte er jetzt so milde, wie seine Aufregung zuließ, „aber diese Wurzel hier ... sie ist äußerst selten. Sie ist von unerhörter Heilkraft, daher nennt man sie die »Wurzel des Lebens« . Sie stammt aus dem fernen China, und Gott allein weiß, wo dein Vater sie her hat. Für dieses Exemplar ...“
    Er betrachtete die Wurzel wie ein Heiligtum und strich mit dem Finger darüber.
    „Je größer die Wurzel ist, desto stärker die Heilkräfte“, erklärte er jetzt hastig. „Und man sagt, je mehr die Wurzel einem Menschen an Gestalt ähnelt, desto machtvoller ihre Wirkung. Diese Wurzel hier ist außerordentlich groß, und sie sieht aus wie ein Mensch. Sieh her, hier ist der Kopf, die Arme, die beiden Beine ... Nun, letzteres ist vermutlich Aberglaube. Aber dennoch ist dieses Prachtexemplar gut und gerne zwanzig Gulden wert! Und wenn wir erst Essenzen daraus hergestellt haben noch viel mehr!“
    Benedikt traute seinen Ohren nicht. Selbst für einen einzigen Gulden musste er sonst eine ganze Woche arbeiten.

    Der neuerworbene Schatz mache es Pater Medardus leicht, dem Orden gegenüber einen Schüler durchzusetzen, der kein Novize werden wollte, ja es gar nicht konnte, weil er für seine kleinen Schwestern zu sorgen hatte.
    Pater Medardus war ein Mensch, der seinen Glauben wahrhaft ernst nahm. Er verwaltete das kostbare Erbe der Hofmeister-Kinder gewissenhaft und redlich. Mittlerweile halfen alle drei mit beim Sammeln der Heilpflanzen, und er konnte seine Zeit mit intensiverer Forschung verbringen. Insgeheim bewunderte er den heranwachsenden jungen Mann, mit welcher Selbstverständlichkeit er die Rolle des Familienoberhauptes ausfüllte, eine Verantwortung, die er selbst nie gehabt hatte. Das Erbe seines Vaters, jenen Kasten mit Heilwurzeln, sah er als einen Fingerzeig Gottes, dass Benedikt trotz aller Tragik etwas Gutes bestimmt war.
    Benedikt war längst kein Kind mehr. Seine noch vor einigen Jahren blonden Haare waren jetzt gedunkelt, und mit seinem für das Alter von jetzt fünfzehn Jahren hatte er schon einen sehr männlichen Bartwuchs. Mit seinem von der vielen Arbeit gestähltem Körper sah er älter aus als er war. Die dunklen Augen unter den schwarzen Brauen blickten lebendig und feurig, obgleich sein Wesen eher von mehr vornehm anmutender als scheuer Zurückhaltung geprägt war.
    Johanna Korfmacher aus der Nachbarschaft war die erste, die die Vorzüge des jungen Mannes erkannte. Mit ihren siebzehn Jahren hatte sie bereits reichlich Erfahrung, und sie gedachte alsbald, diese um einen besonderen Edelstein in ihrer Sammlung zu ergänzen. Wollüstig betrachtete sie Benedikt, wenn er das Holz hackte, am Haus arbeitete oder vom Angeln zurückkehrte. Strahlend lächelnd sah sie ihn an, wenn sie sich begegneten, was sich nun zunehmend häufiger ereignete.
    Benedikt erwiderte ihre Annäherung mit freundlicher Unbedarftheit, obgleich er spürte, dass diese Art von Begegnung etwas Anderes war als er es bisher gekannt hatte. So dauerte es nicht lange, bis dass ihrer beider Wege sich kreuzten, als er die Taubnesselblüten, die er mit Maria und Gertrud gesammelt hatte, zum Kloster bringen wollte.
    Es war ein warmer Frühlingstag, und Benedikt war gerade in den Wald eingebogen, da kam Johanna winkend und lächelnd auf dem anderen Weg daher und gesellte sich zu ihm. Sie freute sich, ihn so zufällig zu treffen und ergriff nach kurzer Zeit seinen Arm, um sich noch ein wenig enger an ihn drücken zu können.
    Benedikt fühlte sich geschmeichelt. Gewiss, Johanna hatte nicht den allerbesten Ruf, doch es gefiel ihm, dass ihm jemand so unverhohlen seine Zuneigung zeigte. Es bedurfte eines nur geringen Anlasses, ihn dazu zu bringen, ein wenig abseits des Weges sich auf der Wiese niederzulasssen.
    „Ein schöner Mann bist du!“ hauchte Johanna mit schwülen Lippen, und begann, mit sachten Fingern ihm die Wangen zu streicheln. Zielsicher fand ihr Finger seinen Mund und rieb ihm zart über die Unterlippe. Dann näherte sie ihren wollüstigen Mund seinem Gesicht, und drückte sie auf die seinen, um auch sogleich ihre Zunge in seinen Mund zu schieben.
    Benedikt war verwirrt und beglückt zugleich. Er ließ es geschehen, fand sich plötzlich auf dem warmen Gras liegend wieder, Johannas entblößter Schenkel rieb sich an seinem Unterleib, und er fühlte eine Erregung, die ihm in dieser Heftigkeit bisher unbekannt gewesen war. Seine suchende Hand glitt an ihren Beinen

Weitere Kostenlose Bücher