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Die schlafende Stadt

Die schlafende Stadt

Titel: Die schlafende Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Steiner
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Schulzeit noch hatte und der ein begeisterter Sammler von allem war, das mit dem Mittelalter zu tun hatte. Ludwig trug neben der Bundhose ein grobes Leinenhemd, dazu einen breitkrempigen Hut und einen weiten Umhang, der mit einer Fibel zusammengehalten wurde. An seiner Hüfte baumelte ein Trinkhorn. Sogar Schnabelschuhe hatte Manfred für ihn gehabt.
    Ludwig parkte sein Auto auf der mit Wimpeln umzäunten Wiese und folgte den Wegweisern. Die Burg lieferte eine prächtige Kulisse. Er folgte einem Trio von spitzhaubigen Burgfräulein, passierte das Eingangszelt. Bereits am Vormittag war einiges los, fellüberspannte Stände reihten sich aneinander, an denen diverses Kunsthandwerk feilgeboten wurde. Ritter, Mönche und Edelleute promenierten durcheinander. Ludwig erntete zahlreiche anerkennende Bemerkungen für sein „trefflich’s G’wandl“. Das Spektakel machte ihm Spaß.
    Dennoch irrte sein Blick unruhig umher. Von Carmilla war nichts zu sehen. Er schlenderte durch die reihen, durchquerte den Markt, umrundete die im Schatten der Bäume aufgebaute Tanzbühne. Schließlich ließ er sich neben der alten Wassermühle an einem der rohen Holztische nieder. Das rauschende Wasser des Mühlrades brachte etwas Erfrischung in die sonst so trockene Hitze. Es war bereits Mittag, und der Duft gebratenen Fleisches stieg ihm in die Nase. Von der Hitze hatte er einen höllischen Durst.
    „Einen Krug Schwarzbier, der Herr?“
    Ludwig fuhr herum. Vor ihm stand Carmilla und lachte ihn an. Sie trug ein langes Leinenkleid mit einer Korsage aus Leder. Ihr langes, wallendes Haar fiel offen auf ihre Schultern herab. Lediglich zwei vordere Haarsträhnen waren zu kunstvollen Zöpfen geflochten und umgaben sie wie einen Haarreif. Auf dem Kopf trug sie einen geflochtenen Blumenkranz. Jetzt sah sie noch mehr nach einer Fee aus, schöner als je zuvor. In den Händen hielt sie ein großes Tablett. Den Steinkrug darauf stellte sie vor Ludwig auf den Tisch.
    „Vielen Dank!“ brachte Ludwig hervor. „Ich habe dich schon gesucht!“
    „Und ich habe dich gefunden. Schön dich zu sehen.“
    „Schön, dich zu sehen“, gab Ludwig zurück. „Ich habe mich sehr über deine Einladung gefreut.“
    „Hast du Hunger?“ fragte sie.
    „Oh ja! Isst du etwas mit?“
    „Ich kann leider nicht. Ich habe mich bereit erklärt, bis zum Nachmittag hier zu bedienen. Aber wenn der Tanz beginnt, habe ich frei.“
    Ludwig war sogleich wieder voller Verlangen. Carmilla war natürlich und herzlich. Dies beruhigte und erregte ihn gleichzeitig. Er verfolgte sie mit seinen Blicken, wie sie gutgelaunt zu den Gästen trat und die Bestellungen lächelnd aufnahm. Sie hätte einer mittelalterlichen Dichtung entsprungen sein können.
    Ludwig ließ es sich wohl sein, so gut er konnte. Der Braten, den Carmilla ihm gebracht hatte, war zart, die Kartoffeln knusprig, das Bier süffig. Er konnte trotzdem kaum den Blick von ihr lassen.
    Endlich betraten die Musikanten die Bühne. Nach der üblichen Zeit des Einstimmens legten sie endlich los. Kurz darauf setzte sich Carmilla neben ihn.
    „Da bin ich!“ Verschmitzt lachte sie ihn an. Ihre Blicke trafen sich und verharrten einen langen, überirdischen Augenblick.
    Es war für Ludwig wie im Traum. Zunächst redeten sie nur ein paar belanglose Sachen. Dann nahm er sie bei der Hand und zog sie auf den Tanzboden. Ludwig war ein guter Tänzer, führte Carmilla elegant und gekonnt über die rohen Planken. Sie lachte vor Vergnügen und strahlte ihn an. Sie schien es zu genießen, so in seinen Armen zu liegen. Ludwig fühlte andächtig ihre zierliche Hand in der seinen, ihren schlanken Körper so nahe bei sich. ‚Mein Gott, wie bin ich verliebt!’ schoss es ihm zwischendurch durch den Kopf. Er fühlte sich wie von Sinnen. Als bei einem Ringtanz einmal die Partner gewechselt werden mussten traf es ihn wie ein Dolchstoß, sie in den Armen eines anderen sehen zu müssen.
    Die Sonne neigte sich schon dem Horizont zu, als Carmilla ihm vorschlug, eine Runde spazieren zu gehen. Dankbar folgte er ihr zum Ausgang. Sie schlug einen Waldweg ein, der bald an ein Feld führte. Die Musik war in der Ferne zu hören, die Burg erstrahlte im warmen, rötlichen Licht des späten Nachmittags.
    „Das Tanzen mit dir war... toll“, sagte Ludwig. Er war so berauscht, dass ihm die Worte fehlten.
    „O ja! Es hat mir sehr großen Spaß gemacht!“
    Sie sah verführerisch zu ihm herüber. „Ich habe so gut noch nie mit jemandem getanzt.“
    Ludwig nahm das

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