Die schlafenden Hüter - Das Marsprojekt ; 5
Teilstrich erreicht hat, können wir zumachen und gehen.«
Ariana schlich behutsam näher. Es roch nach Staub. Durch ein Regal hindurch sah sie die beiden Männer vor einem in die Wand eingelassenen metallenen Kasten stehen, dessen Vorderseite geöffnet war. In der Öffnung blinkten rote und grüne Lämpchen.
Ein Datensafe war das also. Ihr war der Kasten nie besonders aufgefallen, was allerdings auch kein Wunder war: Schließlich standen diese Lagerräume hier bis in den letzten Winkel voll mit allen möglichen Sachen, von denen die meisten weitaus interessanter aussahen als ein in die Wand eingemauerter Metallkasten.
»Also, mich wundert das ja«, brummte Pigrato. Er hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt und wippte ungeduldig hin und her. »Wann ist die Anweisung der Raumbehörde gekommen? Am Mittwoch?«
»Mittwoch, ja. Das Programm dazu kam heute. Kein Wunder, war auch ziemlich groß.«
Pigrato schüttelte den Kopf. »Die ganze Zeit, als ich Statthalter war – wirklich die ganze Zeit hindurch –, habe ich denen damit in den Ohren gelegen, die KI rekalibrieren zu lassen. Und jedes Mal hat es geheißen, dazu müsste ein Spezialist kommen, ein Kybernetikpsychologe, und das sei ein zu großer Aufwand, so jemanden zum Mars zu schicken. Fernwartung, habe ich vorgeschlagen. Nein, hieß es, das gehe nicht, aus technischen Gründen.«
»Hmm, ja. Hab ich auch so gelernt. Wird wohl der technische Fortschritt sein.« Jed Latimer kratzte sich den haarlosen Schädel. »In dem Schreiben der Raumbehörde hieß es, die Überlastung von AI-20 im Zusammenhang mit der Postkontrolle sei so gravierend gewesen, dass eine Rekalibrierung nun unumgänglich sei.«
»Die war schon unumgänglich, als ich auf dem Mars angekommen bin. AI-20 ist noch nie rekalibriert worden, seit der Installation nicht! Ist doch klar, dass das eines Tages aus dem Ruder laufen musste.«
Latimer hüstelte. »Na ja. Bei künstlichen Intelligenzen der 20er-Reihe ist es nicht so dramatisch. Die entwickeln höchstens Marotten im Lauf der Zeit. Bei 30ern ist es kritischer. Und von den 40ern habe ich mal gehört, dass so eine permanent von einer 30er überwacht werden muss, und die wiederum muss man jeden Monat rekalibrieren. Da scheint die Entwicklung der künstlichen Intelligenzen auf eine natürliche Grenze zuzulaufen, wenn Sie mich fragen.«
»Wahrscheinlich wollen die mir nur noch was in die Schuhe schieben«, knurrte Pigrato, der nicht recht zugehört zu haben schien. »Zwanzig Jahre lang lassen sie die KI laufen, wie sie will, und jetzt auf einmal soll ich schuld sein an allem. Immer dasselbe.«
Jed Latimer überhörte dieses Lamento geflissentlich. »Okay«, sagte er und richtete sich auf. »Der erste Teilstrich. Das heißt, das Back-up von AI-20 läuft.« Ariana sah, wie er auf die Uhr blickte. »Sollte bis … na, gegen sechs dauern. Dann spiel ich das Programm über Nacht ein und dann sollen die von der Fernwartung zusehen, was sie zustande kriegen.«
»Und wenn sie nichts zustande kriegen?«
»Dann drücken wir einfach den grünen Knopf hier und haben unsere gute alte AI-20 wieder, wie wir sie kennen und lieben.«
»Bloß dass sie dann nicht mitgekriegt hat, was in der Zwischenzeit passiert ist.«
»Na, hören Sie, Mister Pigrato, ganz so dumm sind wir Computerleute auch wieder nicht. Das Ereignisprotokoll läuft natürlich separat mit. Dort kann sie sich dann im Bedarfsfall schlaumachen.« Er drückte die Safetür zu, die sich mit einem deutlich hörbaren Geräusch wieder verriegelte. »Gar kein Problem.«
»Wenn Sie es sagen …«
Ariana duckte sich. Sie hörte, wie die beiden Männer zur Tür gingen. Bestimmt würden sie gleich … Na klar. Sie machten das Licht aus. Jetzt saß sie hier im Dunkeln und würde sich wahrscheinlich ein halbes Dutzend mal die Schienbeine irgendwo anhauen, ehe sie den Ausgang erreichte.
Es gab einfach Tage, an denen klappte aber auch gar nichts!
Die Besichtigung des Frankfurter Flughafens verlief, wie solche Besichtigungen immer verliefen. Zur vereinbarten Zeit erwartete Niklas Paulsen den Bus, mit dem die betreffende Schulklasse oder Lerngruppe ankam, begrüßte sie mit Handschlag, freundlichem Lächeln und ein paar lockeren Sprüchen, dann ging es zu dem Modell in Halle 1, anhand dessen er erst mal einen Überblick über die ganze Anlage vermittelte. Das war sein Job. Die Gruppe heute kam aus der Nähe von Heilbronn, aus einer der wenigen Ganztagsschulen, die noch existierten. Diese Führung würde
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