Die schlafenden Hüter - Das Marsprojekt ; 5
auf dem benutzte Kaffeetassen und halb geleerte Tabletts mit Gebäck standen. Zwei von ihnen, ein korpulenter Inder mit einem Vollmondgesicht und eine gertenschlanke Frau mit blonden, langen Haaren und einem kleinen Feuermal auf der Stirn, saßen etwas erhöht. Das waren, wusste der Mann mit der Aktentasche, der Besitzer dieses Anwesens und seine Frau.
Er ließ sich von der Kette befreien, öffnete dann den Verschluss der Tasche und verteilte Unterlagen.
»Wir haben einen Weg gefunden, wie wir den Plan doch noch durchführen können«, erklärte er ohne Umschweife. »Aber dazu müssen wir einem ganz präzisen Zeitplan folgen, ohne die geringste Abweichung. Und wir haben nur diesen einen Versuch.«
Also gut. Ariana wusste jetzt zwar nicht, was sie machen sollte, aber zu ihrer Mutter zu ziehen, war auf alle Fälle schon mal etwas, das sie besser bleiben ließ.
Auch wenn das bedeutete, dass sie ihrer Mutter schon wieder absagen musste, nachdem sie ihr Kommen gerade erst fest angekündigt hatte. Mom würde ihr von nun an wahrscheinlich nie wieder ein Wort glauben.
Ariana erhob sich seufzend und verstaute den schiefen alten Globus wieder im Schrank. Ein Blick auf die Uhr ließ sie zusammenfahren: schon fast halb drei! Und dabei hatte sie fest versprochen, um zwei Uhr in der Gemeinschaftsküche zum Gemüseschneiden anzutreten für das Plazafest heute Abend.
Noch eine Zusage, die sie nicht hielt. Das wurde allmählich zur Gewohnheit.
Sie warf einen raschen Blick durch den Raum. Es würde für immer ein Rätsel bleiben, warum es ausgerechnet hier, in ihrem Geheimversteck, das nie ein Erwachsener zu Gesicht bekommen würde, aufgeräumter war als in jedem ihrer Zimmer zu Hause. Sie löschte das Licht. Der Rückweg führte durch einen schmalen, mehrfach gewundenen Gang mit Ziegelwänden bis zu einer Drucktür, die mit einem Drehrad verriegelt wurde, wie es bis vor zwanzig Jahren in der Raumfahrt üblich gewesen war. Diese Tür, der Eingang zu ihrem Geheimversteck, lag hinter einem alten Schrank ohne Rückwand verborgen und Ariana trat gerade aus diesem Schrank und wollte die Schranktür ins Schloss fallen lassen, als sie plötzlich Stimmen hörte.
Sie hielt inne, sah sich alarmiert um.
Es waren die Stimmen von zwei Männern, die sich irgendwo hinter all den Regalen am anderen Ende des Lagerraums aufhielten und halblaut miteinander redeten.
Ariana schloss die Schranktür ganz, ganz leise, duckte sich hinter die nächste Kiste und lauschte.
4
Lichter am Sternenhimmel
»Verstehe ich das richtig? Sie brauchen mich nur, damit ich meinen Daumen auf dieses Sensorfeld drücke? Ist das alles?«
Ariana erkannte die Stimme. Das war Tom Pigrato, der ehemalige Statthalter auf dem Mars. Früher war sie ihm grundsätzlich aus dem Weg gegangen, wann immer das möglich gewesen war. Heute war das nicht mehr so leicht, denn er war immerhin auch der Vater von Urs, in den sie verliebt war. So ganz hatte ihr das die Scheu aber nicht genommen. Mit Urs’ Mutter kam sie ganz gut klar, aber mit seinem Vater … Sie war immer noch froh, wenn sie so wenig wie möglich mit ihm zu tun hatte.
»Kommt drauf an, wie man das sieht«, brummte eine andere Stimme. Jed Latimer, der für die Kommunikationstechnik zuständig war. »Man könnte auch sagen, ich brauche Sie, weil Sie so ziemlich der Einzige sind, der diesen Datensafe hier öffnen kann.«
»Ich bin nicht mehr Statthalter. Das Schloss hätte längst auf Yin Chi eingestellt werden müssen. Und möglichst nicht nur auf ihn allein.«
»Kommt alles noch. Der Marstag mag zwar länger sein als der Erdtag, aber er hat trotzdem zu wenige Stunden, wenn Sie mich fragen.«
Ariana krabbelte auf allen vieren zwischen Kisten und Regalen hindurch, um näher an die Männer heranzukommen. Es interessierte sie, was die beiden hier eigentlich machten.
»Und wieso kenne ich diesen Datensafe nicht?«, murrte Pigrato weiter. »Was macht der hier? Ich dachte immer, die Back-ups aller Computer laufen vorne im Schaltraum zusammen.«
»Ja, die normalen Back-ups. Das hier mache ich bloß zusätzlich. Wegen des besonderen Anlasses.« Etwas knackte, dann war ein helles, sirrendes Geräusch zu vernehmen. »Diesen Datensafe hat man für Back-ups verwendet, als die Marssiedlung noch nicht so groß war. Aber er ist natürlich immer noch im Netz. So. Das läuft jetzt.«
»Müssen wir nun etwa hier stehen bleiben, bis der fertig ist?«
»Ich will nur schauen, ob alles läuft. Wenn der Balken hier den ersten
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