Die schlafenden Hüter - Das Marsprojekt ; 5
weiß. Über die niemand Bescheid weiß.«
»Vielleicht solltest du mir doch erzählen, was los ist.«
Sie sah auf ihr Tablett hinab, das noch immer unberührt vor ihr stand, und sagte nichts. Niklas sagte auch nichts. Er rührte bedächtig in seinem Fruchtquark und wartete.
»Mein Papa«, flüsterte sie schließlich, »ist im Weltraum verschwunden.«
Es ging ihm durch und durch, wie ein elektrischer Schlag. Dabei … konnte es nicht sein. Wenn sich ein solches Unglück zugetragen hätte, hätte er davon gehört. Alle Nachrichtenkanäle wären voll davon gewesen.
»Im Weltraum verschwunden?«, wiederholte Niklas. »Dein Papa? Was heißt das? Seit wann?«
»Seit über fünf Monaten.«
»Seit über fünf Monaten?«
Sie ballte die Hände zu Fäusten und presste sie sich vor die Brust. »Meine Mama hat gesagt, ich darf mit niemandem darüber reden. Sonst passiert uns was.«
Was um alles in der Welt ging hier vor? Niklas schüttelte den Kopf, heftig. »Nein, warte. Wieso … ich meine, wenn deinem Papa was passiert ist …? Ich verstehe das nicht. Wieso sagt deine Mama so etwas?«
Ein Schluchzer erschütterte das Mädchen. »Papa hat uns bloß gesagt, dass er auf eine geheime Mission muss. Er hat ein Schreiben gekriegt, von der Raumfahrtbehörde, und er hat uns gesagt, dass er nicht weiß, wohin er geschickt werden wird, dass er aber gehen muss und uns wahrscheinlich später nichts darüber erzählen darf. Aber dann« – sie holte keuchend Luft – »hat er sich überhaupt nicht mehr gemeldet. Und als Mama sich bei der Raumfahrtbehörde beschwert hat, sind Männer gekommen … sie haben mit ihr geredet, im Wohnzimmer … und danach war sie ganz bleich und hat mir gesagt, ich darf niemandem davon erzählen, sonst passiert uns etwas ganz Schlimmes.«
Niklas musterte sie skeptisch. Was erzählte dieses Mädchen ihm da? Die Raumfahrtbehörde war wie alle transnationalen Organisationen zu absoluter Transparenz verpflichtet. Das war das Informationsgebot der föderalen Verfassung; eine beliebte Prüfungsfrage im Schulfach Gemeinschaftskunde. So etwas wie geheime Missionen im Weltraum gab es höchstens in schlechten Filmen.
Er bemühte sich, seine Skepsis nicht zu zeigen. »Und … was für Männer waren das?«
Selje schüttelte den Kopf. »Das weiß ich nicht.« Ingrimm stand plötzlich auf ihrem Gesicht. »Am liebsten würde ich diesem Senator Bjornstadt einen gepfefferten Brief schreiben und ihm sagen, was ich davon halte, dass er mir meinen Papa wegnimmt und meiner Mama Angst macht. Wenn ich bloß seine Adresse wüsste, ich würd’s tun.«
»Hast du es schon mit einer E-Mail probiert?«
Sie machte eine wegwerfende Handbewegung. »Da kriegt man bloß eine automatische Rückantwort. Vielen Dank für Ihr Schreiben. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass der Senator nicht alle E-Mails persönlich beantworten kann, und verzichten Sie bitte auf entsprechende Nachfragen. Wir werden Ihr Anliegen sorgfältig prüfen und gegebenenfalls wieder mit Ihnen Kontakt aufnehmen. Bla, bla, bla.«
Eine verrückte Idee durchzuckte Niklas. Er wusste zwar immer weniger, was er von Seljes Geschichte halten sollte – wahrscheinlich ging einfach die Fantasie mit ihr durch –, aber wenn ein Brief an den Senator alles war, was sie brauchte, um glücklich nach Hause zu gehen …
»Da könnte ich dir helfen«, erklärte er. »Wenn du dem Senator einen Brief zukommen lassen willst – das kann ich arrangieren.«
Sie sah ihn an, die Brauen gefurcht. »Und wie wollen Sie das machen?«
Niklas breitete die Arme aus. »Schau – ich kenn den ganzen Flughafen. Alle kennen mich. Ich bin mit einer Menge Flugkapitänen befreundet. Einer davon, Patrick, stammt aus Kenia, lebt sogar in Nairobi, und er hat mir einmal erzählt, dass sein Vater eine Gärtnerei betreibt, die unter anderem die Gärten der Regierungsmitglieder betreut. Für den wäre es überhaupt kein Problem, Senator Bjornstadt einen Brief unter der Haustür durchzuschieben. Wenn ich Patrick darum bitte, dann arrangiert er das für mich.«
Selje sah ihn mit großen Augen an. Immerhin, das Düstere war aus ihrem Gesicht verschwunden. »Ehrlich?«
»Ehrlich«, versicherte Niklas und schob sich einen großen Löffel voll Fruchtquark in den Mund.
»Könnte ich diesen Brief … jetzt gleich schreiben?«
»Klar.« Konnte nichts schaden, wenn sie sich das alles von der Seele schrieb. »Brauchst du Briefpapier?«
Sie nickte heftig. »Wenn Sie welches haben …?«
Der Kunde war
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