Die schlafenden Hüter - Das Marsprojekt ; 5
die letzte für diese Woche sein. Niklas Paulsen freute sich schon aufs Wochenende.
Es lief alles ganz gut. Die Kinder waren größtenteils so um die fünfzehn Jahre alt, nur ein Mädchen war erst dreizehn, hatten sich ziemlich gut vorbereitet und stellten kluge Fragen. Er ließ sie eine Sicherheitsschleuse ausprobieren und ein Durchleuchtungsgerät, zeigte ihnen, wie das Einchecken funktionierte, dann folgten sie gemeinsam den verschlungenen Wegen, die das Gepäck nahm, das die Reisenden aufgaben, über die kilometerlangen Förderbänder, Transportstraßen und robotergesteuerten Wagen bis zum jeweiligen Flugzeug. Sie besichtigten den Tower und das Wetterzentrum, sahen in einem Hangar zu, wie ein Flugzeug gewartet wurde, und dann war es auch schon Zeit für den Imbiss, den das Flughafenrestaurant für die jungen Gäste und künftigen Flugpassagiere vorbereitete. Die größte Attraktion, das Terminal W, an dem Weltraumreisende eincheckten, würden sie ganz zum Schluss besichtigen.
Natürlich kamen die üblichen Fragen. Warum von Frankfurt aus keine Shuttles direkt in den Weltraum starteten, zum Beispiel. »Weil dann in Frankfurt längst alle Leute taub wären«, lautete Niklas Paulsens Lieblingsantwort darauf. Das brachte alle erst mal zum Stutzen und dann konnte er in Ruhe erklären, wie sich ein Raketenstart von einem Flugzeugstart unterschied und warum es besser war, dass sich der europäische Raumflughafen in Barqah befand, mitten in einer ansonsten menschenleeren Wüste. »Aber wer hier eincheckt, wird gleich vermessen, sodass in Barqah schon ein passender Raumanzug für ihn bereitgestellt werden kann. Außerdem können Raumfahrer und andere Leute, die regelmäßig in den Weltraum fliegen, bereits hier alle Formalitäten erledigen, während sie auf das Zubringerflugzeug warten.«
Er sah das junge Mädchen traurig nicken, als er das sagte.
Klar, was das hieß. Als sie nachher alle ihre Tabletts durch das Restaurant balancierten, sah Niklas zu, dass er neben ihr zu sitzen kam.
»Lass mich raten«, sagte er. »Dein Papa ist Raumfahrer.«
Sie nickte bedrückt.
»Und oft ewig lang unterwegs, was?«
»Mmh.«
»Aber er schickt dir doch bestimmt regelmäßig Mails, oder?«
»Früher ja.«
Es war etwas in der Art, wie sie das sagte, das Niklas aufhorchen ließ. Er hatte selber einmal davon geträumt, in die Raumfahrt zu gehen, dann aber die Tests nicht bestanden. Inzwischen hatte er selber eine Tochter, fast so alt wie das Mädchen, das jetzt in sich zusammengesunken und appetitlos vor ihrem Tablett saß, und seither mischten sich jedes Mal Neid und Bedauern in ihm, wenn er sah, wie Raumfahrer sich im Terminal W von ihren Familien verabschiedeten.
Er rührte in dem Fruchtquark, den er sich geholt hatte. »Willst du mir erzählen, was los ist?«
»Besser nicht.«
Er sah sich um. Sie saßen alleine und das würde wohl auch so bleiben – die anderen zog es alle zu den Tischen am Fenster, von denen aus man die Rollbahnen sah. »Weißt du, oft hilft es einem, wenn man mit irgendjemandem über die Dinge sprechen kann, die einen bedrücken.«
»Manchmal auch nicht.«
Niklas räusperte sich. Irgendwie wurde er das Gefühl nicht los, dass er es hier mit etwas Gravierenderem zu tun hatte als mit einer im Scheitern begriffenen Ehe. Ganz davon abgesehen hatte er noch nie gehört, dass ein geschiedener Raumfahrer – von denen es mehr als genug gab, denn dieser Beruf tat dem Familienleben nicht sonderlich gut – deswegen keinen Mailkontakt mehr mit seinen Kindern unterhalten hätte. Eher im Gegenteil.
Er betrachtete sie. Sie sah ihn nicht an, hatte die Lippen zusammengepresst. Etwas in ihrem Gesicht zitterte.
»Willst du mir wenigstens sagen, wie du heißt?«
»Selje.«
»Ich heiße Niklas. Niklas Paulsen. Das hier ist mein Beruf, kannst du dir das vorstellen? Jeden Tag führe ich ein bis zwei Gruppen wie euch durch den Flughafen.«
»Echt?« Jetzt sah sie ihn zumindest an, musterte ihn regelrecht. »Und warum gibt es das überhaupt, solche Führungen?«
»Das nennt man Öffentlichkeitsarbeit. Und warum man das macht? Unter anderem, weil man denkt, es sei gut, wenn die Leute Bescheid wissen, was sich zum Beispiel in so einem Flughafen abspielt.«
Ihre Miene verdüsterte sich. Sie hatte gewelltes haselnussbraunes Haar und eine Stupsnase, die sie ohne diese düstere Miene sicher vorwitzig hätte aussehen lassen.
»Was nützt das«, sagte sie leise, »wenn es so viele Sachen gibt, über die man nicht Bescheid
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