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Die Schlaflosen

Die Schlaflosen

Titel: Die Schlaflosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Kolb
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bezahlt. Von Ihrer Konkurrenz.
    Sie schiebt das Kinn hoch, um sein Gesicht zu sehen.
    Drüben auf der Terrasse wird es lauter, man hört erregte Stimmen, ohne jedoch ein Wort verstehen zu können. Mulik überlegt kurz, rüberzugehn und zu sehen, was sich da oben tut, aber im selben Moment verwirft er den Gedanken. Um nichts in der Welt will er jetzt diesen Platz verlassen. Selbst wenn der Schlafpapst aufgetaucht wäre, würde er hierbleiben. Mit diesem warmen Kopf in seinem Schoß.
    Woran denken denn Sie, wenn Sie nicht schlafen können?
    Wollen Sie das wirklich wissen? Wirklich?
    Warum nicht?
    Na ja, seien wir doch ehrlich, es sind verwirrende Dinge, an die man dann denkt, sagt Mulik.
    Und bald schon, nach ein bisschen Hin und Her und ein paar weiteren Schlucken Wein (direkt aus der Flasche jetzt) kommt er ins Reden.
    Jetzt ist es die Frau, die tröstend ihre Hand auflegt, die die Wade des Manns tätschelt, auf dessen Schoß sie den Kopf liegen hat, ein Tätscheln, das einen Vertrauensfluss in Gang setzt, warm, zuversichtlich, sodass dem Mann von den Lippen fließt, was er bis dahin in einem gut verschlossenen inneren Tresor eingelagert hatte.
    Zum Beispiel, dass ich ein Schwein bin … ich habe manchmal das Gefühl, dass ich all das, was ich täglich entscheide, was Zigtausende, Hunderttausende, ja Millionen betrifft, dass ich all das zum größten Teil überhaupt nicht verstehe. Dass ich mich stur an den Bestimmungen festhalte, weil es sonst viel zu kompliziert wäre, und weil kaum jemand wirklich einen Durchblick hat … wir wissen alle, worum es eigentlich gehen müsste, und sind nur hilflos … wie oft geht es um Leben und Tod, um die letzte Behandlung etwa, da rechten wir um jede kleine Summe, und ich sehe die Kranken, die so ohnmächtig ausgeliefert sind wie meine Frau, als sie Krebs hatte … und dann verweigern wir eine Therapie, nur weil sie etwas teurer ist als eine andere, und das entscheide ich jeden Tag. Ich bearbeite die Zweifelsfälle, und ich habe sie immer im Sinne des Kleingedruckten entschieden …
    Eine lange Pause entsteht, die Moll hat aufgehört zu tätscheln.
    Ich bin jetzt bald fünfundsechzig, und manchmal denke ich, du bist das Allerletzte, das Allerallerletzte auf dieser irren Welt.
    Aber das glauben Sie nicht im Ernst? Wir haben doch alle unsre dunklen Seiten …
    Na ja … aber es hat alles nichts mit der Schlaflosigkeit zu tun, die war schon vorher da, die hat alles überlebt, die hat die Sorgen um meinen depressiven Sohn und das schrecklich lange Sterben meiner Frau und auch das andere überlebt …
    Nie hat Mulik sich so nach Schlaf gesehnt, wie in diesem Moment.
    Danach, sich aufzulösen, nicht mehr sein zu müssen …
    Von weitem sehen die beiden wie ein bäuerliches Paar auf einem romantischen Gemälde aus. Die Blätter bewegen sich so sanft, so beruhigend, wie ewig. Mulik hat jetzt den Kopf nahe zu Molls Kopf sinken lassen, man hört heftiges Flüstern einer heiseren männlichen Stimme.
    Nur die Moll weiß jetzt etwas von Muliks Not, nur sie hat jetzt eine Ahnung von seinem dunklen Kern. Er spricht oder besser stottert davon, dass er eine Liebesbeziehung mit seiner Tochter hat … er findet kaum die Worte, um zu sagen, was er sagen will. Die Moll erfährt, dass er sich eines Nachts eng umschlungen mit der Tochter gefunden hat.
    Sie sei bei ihm zu Besuch gewesen und habe bei ihm übernachtet, und da sei es geschehen. Er könne es selbst nicht fassen. Er frage sich jeden Tag von neuem, wie es dazu kommen konnte. Er blicke in den Spiegel und könne nicht begreifen, dass die Person, die ihn anblickt, er selbst sei. Als es angefangen habe, sei seine Tochter eine Frau von fast vierzig Jahren gewesen. Und jetzt könnten sie nicht mehr damit aufhören. Es sei eine Qual und eine unvorstellbare …
    Was? Fragt die Moll leise …
    Das Gegenteil von Qual …
    Niemand wisse davon, kein Mensch … Vielleicht habe er jetzt den schlimmsten Fehler seines Lebens gemacht.
    Sie beruhigt ihn, schwört, dass sie schweigen wird wie ein Grab … Obwohl – Grab ist kein gutes Wort, schickt sie hinterher.
    Die beiden bleiben noch eine Weile auf ihrem von Blättern umfächelten Lager.
    Das Schlimmste wäre, wenn Andi davon erfahren würde, Andi, der es ohnehin so schwer mit sich hat, denkt Mulik. Von ihm hat er gar nicht gesprochen.
    Aus der Ferne sieht man, wie

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