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Die Schlaflosen

Die Schlaflosen

Titel: Die Schlaflosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Kolb
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Blau, die man eine Dame zu nennen geneigt ist, in einem langen weißen Nachthemd auftaucht, mit wirrem Haar und wirrem Blick, während Sandow versucht, die Rauchenden vom Rauchen abzuhalten, schon ahnend, dass er damit keinen Erfolg haben wird, während Bülow auf die Uhr blickt, die geleerten Rotweinflaschen zählt und überlegt, wie viel ihn diese Nacht kosten wird, während er zugleich an Miriam denkt, Miriam, la douce, die er wieder einmal aus den Augen verloren hat, während Rottmann draußen im Park herumirrt und den See sucht, an den er sich zu erinnern glaubt, obwohl er damals erst drei Jahre alt war, während die Moll sich in einem Sessel nahe bei Mulik niederlässt und ihm den Rauch in den Nacken haucht, während der, ermüdet von den eifernden Thesen der kleinen Kollegin, beinahe in den Schlaf gleitet, so warm umgeben vom Atem der Moll, von ihrer Nähe, ihrer Körperwärme, ihrer unsichtbaren Pracht, während der junge Berliner Kellner, den die Moll so gerne auf den Nasenflügel küssen würde, einen umgefallenen Kerzenleuchter aufrichtet und mit einer Schere Brandflecken aus dem Tischtuch schneidet, während ihm dabei mehrere Frauen zusehen und Ratschläge geben, während Norbert seine Stimme erhebt und Ich weiß es, er ist mitten unter uns, ausruft, sich aufrichtet und wiederholt: Der Professor ist mitten unter uns! und ihn von allen Seiten verständnislose Blicke treffen, während der Zauberer sich an den verwaisten Flügel setzt und anfängt zu spielen und ihm der Gedanke kommt, nicht nur nicht der Pianist zu sein, der er gern geworden wäre, sondern auch noch ein erfolgloser Zauberer, während die Gespenster seines Scheiterns durch seinen Kopf geistern und er sich in Chopins Nocturne vertieft, in die nachtzarte Melodie, die er leise mitsingt, während die Moll den Kopf neigt, um sich hinter Muliks breiter Schulter vor der Kundin zu verstecken, während die Runde sich von dem Störenfried abwendet und darüber diskutiert, ob wir nur nicht schlafen können, damit wir keine Albträume haben, während jemand fragt, Warum können andere mit ihren Albträumen leben und wir nicht?, während eine Frau in der Runde anfängt zu lachen, sich auszuschütten vor Lachen und alle sich zu ihr drehen, Ist was? mit den Augen fragend, während die Moll erschrocken merkt, dass die gegen sie prozessierende Kundin, die Frau aus dem Verein für Singtherapie, jetzt zielstrebig auf sie zusteuert, während Rottmann unten am See ankommt und sich daran erinnert, dass es der Beschreibung seiner Mutter nach hier gewesen sein muss, wo der Onkel die Tante und die Cousine erschossen hat und dann sich selbst, während der Himmel von einem Schwarzweißfilm fliehender Wolken überzogen ist, so künstlich, so flach, als wären sie eine Folie, während Jeanine aufschreckt und Hendrik flüstert, Hendrik, mein Sohn!, während Rottmann sich bis zu dem moorigen Wasserrand durch nasses Laub tastet, während sich Miriam in dem kleinen Zimmer, das eigentlich für bedürftige Gäste da ist, atemlos in die Arme ihres Mannes krallt, während der Zauberer sich immer tiefer und tiefer in das Nocturne hineinspielt und ihm die Trauer in die Hände fließt und das Spiel beflügelt (wenn ich so spielen könnte, wenn ich immer so gespielt hätte, denkt er), während Margot sich unter heiß prasselndem Wasser auf den Boden der Duschwanne kauert und den Geschmack von Seligkeit auskostet, der immer noch da ist, den Geschmack von Haut und Sex und Hitze, von längst Vergessenem, während Frau Barrault aufsteht, sich einen Kaffee kocht, die Brille aufsetzt, ein Schälchen mit Milch füllt und hinausbringt unter die Bank, auf der Jeanine sitzt, die sie entgeistert anstarrt, und während sie einen Blick in den blauen Salon wirft, wo sich Leute im Kerzenlicht bewegen, während sie glaubt, die Frau auf der Bank sei die junge Flüchtlingsfrau, die ihren dreijährigen Sohn und sich selbst töten will, während sie auf Jeanine einredet, um sie davon zu überzeugen, ihren Sohn nicht zu erschießen, sondern dem Leben eine Chance zu geben (sehen Sie, all diese Flüchtlinge da drinnen, die aus dem Osten kommen und hoffen, dass der Krieg aufhört, sehen Sie), während Frau Barrault jetzt gemeinsam mit Jeanine in den blauen Salon blickt, wo Gestalten auf Sesseln und Sofas hingegossen liegen, manche zu zweit einander

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