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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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ins Grab gesunken, die erotischen Bewegungen der Arme und Beine, die Geschmeidigkeit des Leibs, die Geheimnisse der Schleier, die speziellen Düfte ihrer Haut, der sinnliche, vernebelte Blick ihrer arabischen Augen … Alles war vom einen Tag auf den anderen aus seinem Leben gerissen worden, schlimmer, er selbst hatte sich dessen beraubt. Es war, als hätte man ihm die Nahrung entzogen oder den Wein, er zitterte, er schwitzte, das Gesicht schwoll ihm an, und die Zunge klebte trocken am Gaumen. Weder Rabban Jehudah noch Herodias konnten ihn verstehen. Immerhin, damals lenkte Herodias, wegen deren Schenkel und Augen er das alles verbrochen hatte, ihn wenigstens ein klein wenig ab, denn wenn sie schon die Tänze nicht ersetzen konnte, so gab sie doch jede Nacht ihr Bestes, um Haritha wenigstens für die Stunden der Dunkelheit aus seinem Kopf zu drängen. Nach einigen Monaten war das Schlimmste für ihn überstanden. Die lebhaften Bilder von Harithas Tanz in seinem Kopf trübten sich, verschwammen, verloren ihre Wirkung. Die Schuld an seinem Verbrechen wurde er nie los, aber die ekstatische Leidenschaft für sie konnte er mit Herodias’ Hilfe unterdrücken. Eine Zeit lang ging alles gut.
    Doch dann weckte eine Frau diese Leidenschaft aufs Neue, eine Frau, von der er das niemals erwartet hätte: Salome. Er hatte sich nie für seine Stieftochter, die ja auch seine Nichte und Schwägerin war, interessiert. Sie war ihm stets zu dünn und zu blass gewesen, ihr Gesicht entbehrte sowohl der klassischen Schönheit wie dem Ausdruck der Verderbtheit. Sie schien nichts zu besitzen, was ihm gefallen konnte. Ihr Tanz im Palast von Bethsaida jedoch änderte seine Meinung völlig. Salome war nun eine Göttin der Lust geworden, eine Beherrscherin des Körpers – ihres und seines -, und sie drängte sich mit ungeheurer Macht in seine Träume, ob am Tag oder in der Nacht. Er wusste nicht, ob er im Schlaf ihren Namen rief und damit Herodias kränkte; wochenlang, monatelang dachte er fast nur an sie. Die nächtlichen Zuckungen seiner Frau, ihre immer komplizierteren und raffinierteren Stellungen, ihre Hinzuziehung ägyptischer Sklavinnen und sogar der Straßenjungen aus Tyrus beeindruckten ihn nicht länger. Er torkelte täglich von Gefühl zu Gefühl, von der Verachtung für Herodias’ klägliche Bemühungen, über die Ohnmacht, die Befriedigung seiner Wünsche so nah zu wissen und doch nicht berühren zu können, bis zur Wut, dass Salome sich ihm entzog und ihren tanzenden Körper mit all seinen Wundern einem anderen schenkte. Oh, was würde er nicht dafür tun, könnte er sie nur einmal noch …
    Die Tür öffnete und schloss sich wieder. Salome bemerkte ihn erst, als sie unmittelbar vor ihm stand. Tief sog er den berauschenden Duft ein, der sie umgab.
    »Salome«, flüsterte er. »Endlich.«
    Im ersten Schreck wollte sie schreien, er hielt ihr jedoch seine mächtige Hand auf den Mund. Sie stieß sie von sich weg.
    »Was, um alles in der Welt, tust du hier?«, fragte sie entsetzt.
    »Ich muss unbedingt mit dir sprechen.«
    Sie ging nicht darauf ein. »Wir haben nichts zu besprechen. Was soll denn Philipp denken, wenn er von diesem seltsamen Besuch erfährt?«
    »Lass doch dieses Theater«, raunte er. »Als ob man jemanden wie dich kompromittieren könnte. Außerdem bin ich dein Stiefvater.«
    »Ja, genau«, rief sie. »Ich hatte nie viel mit dir zu tun, und das soll auch so bleiben.« Sie riss die Tür auf und forderte ihn zum Verlassen des Gemachs auf, aber er drückte die Tür gegen ihren Widerstand wieder zu. Dann blickte er sie mit großen Augen an, Augen, die sie an seinen Vater Herodes erinnerten, ihren Großvater.
    »Tanze für mich, Salome.«
    Sie meinte zuerst, sich verhört zu haben, war verwirrt. »Wie bitte?«
    »Tanze. Tanze so wie damals in Bethsaida. Tanze, bis ich zu Boden sinke, tanze mich zugrunde. Tanze, so dass mir alle Gedanken abhanden kommen, dass ich nur noch fühle, dass mir schwindelt, dass mir der Atem stockt, dass ich in jeder Sekunde aufs Neue aufblühe und verwelke, dass ich ertrinke und verbrenne, dass ich Schmerzen leide und Glück mich dabei durchströmt. Denn das alles machst du mit mir, wenn du tanzt wie sie, wie Haritha.«
    Salome konnte nicht glauben, was sie da hörte. Ihre Gedanken konnten mit der Geschwindigkeit von Antipas’ Worten nicht Schritt halten. Nie wäre ihr in den Sinn gekommen, Antipas könne sich von ihr angezogen fühlen. Sie war überhaupt nicht die Art von Frau, die er

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