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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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schaffte es gerade noch, die Rollen wieder in die mazuza zu legen und den Behälter am Pfosten zu befestigen, bevor die Tür sich öffnete.
    Menahem kannte Berenike kaum. Er war ihr nur wenige Male begegnet, denn Kephallion sah es nicht gern, dass sie Umgang mit Männern pflegte. Gesprochen hatte er noch nie mit ihr.
    »Verzeihung, ich weiß, es ist spät. Ich muss unbedingt mit Kephallion reden. Ist er im Haus?«
    Sie machte eine einladende Geste und senkte den Kopf.
    Er trat ein und rieb sich die Hände über einem Becken mit glühender Kohle, das dem Raum Wärme spendete. »Ah, das tut gut«, sagte er erfreut. Berenike brachte ihm einen Becher heißen Wein, der ihn auch von innen wärmte.
    »Hast du ihm gesagt, dass ich ihn sprechen möchte?«
    Berenike nickte stumm.
    »Wo bleibt er denn?«
    »Er absolviert sein maariv .«
    »Jetzt noch?«
    »Er betet immer lange.«
    Menahem bemerkte, dass Berenike seltsam nuschelte, und zuerst dachte er, dass sie einen angeborenen Sprachfehler habe. Aber dann sah er die Wunde, obwohl sie sie zu verbergen versuchte. Ein dicker Grind zog sich über die gesamte linke Oberlippe.
    Ihm war sofort klar, was das bedeutete. Gegen ihren sanften Widerstand hob er ihr Kinn, damit er die Verletzung besser sehen konnte, nicht die der Lippen, sondern die in ihren Augen. Sie war tief und schmerzhaft.
    Menahem suchte nach Worten. Er verspürte den Drang, sich zu rechtfertigen, dass er mit einem, der ihr das angetan hatte, in engem Kontakt stand, aber ihm fiel nichts ein. Er schluckte nur und sah sie mitleidig an. Vielleicht war es gerade dieser erbarmungsvolle Blick, der sie dazu brachte, sich abzuwenden, vielleicht hörte sie Kephallion nahen. Manche Menschen, so sagte man, entwickelten ein Gespür für Feinde.
    Tatsächlich stand er einen Moment später im Zimmer, den Blick von ihr zu ihm und wieder zurück gleitend.
    »Hinaus«, befahl er Berenike knapp und wartete.
    Wenn Menahem und Kephallion sich sonst trafen, war immer Sadoq dabei oder einer der Anhänger der zelotischen Partei. Heute waren sie zum ersten Mal allein miteinander, und Menahem fühlte sich unwohl. Mit einem Schlag wurde ihm bewusst, dass ein Mann vor ihm stand, der seinen Vater eigenhändig ermordet und eine Unschuldige dafür gesteinigt hatte, der seine Frau schlug und Menschen im ganzen Land aufschlitzen ließ.
    Letzteres hatte Menahem hergeführt.
    »Ist dir bekannt«, fragte er und überwand die Beklemmung, die er empfand, »dass letzte Woche in der Nähe von Jericho zwei Kinder erdolcht wurden, die mit einem pharisäischen Rabban auf Wanderschaft waren?«
    Kephallion nickte.
    »Ist dir auch bekannt, dass in Joppe drei sizilianische Kaufleute auf dieselbe Weise ums Leben kamen und dass in Idumäa eine Frau vor einer Synagoge …«
    »Worauf willst du hinaus?«, kürzte Kephallion die Aufzählung ab. Er ging zu einer Platte, auf der getrocknete Feigen lagen, und steckte sich eine davon in den Mund.
    »Ist das nicht klar?«, fragte Menahem gereizt. »Unsere Anhänger entziehen sich unserer Kontrolle. Wenn heute schon Kinder, Frauen und andere Unbeteiligte den Anschlägen unserer Leute zum Opfer fallen, was wird dann erst morgen geschehen?«
    Kephallion zuckte mit den Schultern. »Zugegeben«, schmatzte er. »Ein paar übertreiben es. Das ist normal, das gibt es in jedem Krieg. Unsere Leute leben schon lange mit der Unterdrückung, nun machen sie sich ein wenig Luft.«
    »Sie rammen dreijährigen Kindern einen Dolch in die Brust, und du nennst das ›Luft machen‹?«, schrie Menahem.
    »Sei gefälligst leiser«, zischte Kephallion. »Man hört dich ja bis nach draußen.«
    »Ja, um dein eigenes Leben ist dir bange, nicht wahr? Aber das Leben unserer Leute und der unschuldigen Opfer kümmert dich kein bisschen.«
    Kephallion wollte eine zweite Feige nehmen; Menahem ging auf ihn zu und schlug sie ihm aus der Hand.
    »Du«, rief er. »Du steckst dahinter. Unsere Männer entgleiten vielleicht Sadoqs und meiner Kontrolle, gewiss nicht deiner, so ist es doch. Du erlaubst ihnen ihre so genannten Übertreibungen, du segnest jede ihrer Handlungen ab, du ermunterst sie dazu. Ja, vielleicht erteilst du ihnen sogar die Anweisung für ihre Verbrechen.«
    Kephallion verzog seinen Mund zu einem verächtlichen Grinsen. »Dass du ihre Heldentaten als Verbrechen hinstellst, zeigt deutlich, was für ein Feigling du bist, Menahem. Ich wusste vom ersten Augenblick an, als wir uns trafen, dass du für unseren heroischen Krieg nicht

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