Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome
taugst.«
»Und ich«, erwiderte Menahem, »wusste, dass es dir nur darum ging: um den Krieg.«
»Du verstehst nichts.«
»Jemanden wie dich, Kephallion, will ich überhaupt nicht verstehen. Denn das hieße, ebenso krank wie du zu sein.«
Nach diesem Wortwechsel wurde es eine Weile still zwischen den beiden. Kephallion ging ziellos und nachdenklich im Zimmer umher, und Menahem ließ ihn dabei keine Sekunde aus den Augen.
Schließlich sagte Kephallion: »Wenn du Sadoq davon erzählst, werde ich alles abstreiten.«
Menahem schüttelte den Kopf. »Sadoq«, seufzte er. »Er würde mir ohnehin nicht glauben, dass du die Morde ausdrücklich befiehlst. Er denkt, ich bin eifersüchtig auf dich und stehe dir deswegen kritisch gegenüber. Das hast du ihm sicher eingeredet, nicht wahr?«
Kephallion antwortete nicht, das war auch nicht nötig. Sein Gesichtsausdruck war Antwort genug.
»Dein Triumph ist so armselig, Kephallion, du ahnst nicht, wie sehr.«
»Ich bin jetzt der Zweite, Menahem. Ich bin der, der dem Messias die Schlachten schlägt. Ich bin Josua, der das Volk auf seiner letzten Strecke durch das Hungertal führt. Mir wird Sadoq eines Tages, wenn der Herr ihn abberuft, die Führung des Volkes Israel übergeben.«
Menahem war es nie um Führung gegangen, um einen Messias oder neuen König oder darum, vor einem brennenden Dornbusch zu stehen und Gottes Stimme zu vernehmen, also auserwählt zu sein. Er wollte ein Land frei von Legionären und dem Schatten des römischen Kaisers, frei auch von Gestalten wie Herodes, Antipas oder Kephallion, frei von Niedertracht und engstirnigem Egoismus. Selbst Sadoq würde er nicht als Herrscher haben wollen, obwohl er ihn liebte, wie man nur einen vertrauten Freund lieben konnte. Die Zeit der Könige sollte vorüber sein. Ein Gremium weiser Männer, gewählt vom Volk, sollte an ihre Stelle treten, und er glaubte, dass Sadoq genauso darüber dachte – noch.
Menahem wandte sich zum Gehen.
»Du hältst mich nicht auf«, warnte Kephallion, doch Menahem würdigte ihn keines Blickes mehr.
An der Tür wartete schon Berenike mit einem dicken Umhang über dem Arm. »Die Nacht ist sehr kalt geworden«, erklärte sie und bot ihm den wollenen Stoff an.
Er versuchte, jedes Mitleid aus seinem Blick zu verbannen, als er ihr in die Augen sah. Stattdessen legte er Dankbarkeit und sogar etwas Zuversicht hinein.
»Ja«, sagte er. »Aber von jetzt an wird es wärmer werden.«
»Ich bin der Ältere«, dröhnte Antipas’ Stimme wie die eines röhrenden Hirsches durch den Festsaal der Festung Masada, so dass sie allen Anwesenden bis ins Mark drang, Pilatus, Philipp, Salome, Herodias, Rabban Jehudah, den Dienern und dem Gefolge. Antipas brachte seine Argumente mit ungewohnter Wucht vor, während Philipp leise blieb. Die Gefolge der beiden jauchzten nach jedem Satz ihres jeweiligen Herrn auf, so, als feuerten sie ihre Favoriten beim Ringkampf an.
»Dafür hat Vater mir die größeren Gebiete vererbt«, brachte Philipp vor.
»Fast alles Einöden. Meine Tetrarchie ist fruchtbar und reich. Ich besitze große Städte …«
»Die besitze ich auch. Philippi ist in Kürze fertiggestellt.« Philipp wies in eine Ecke, in der Timon inmitten des übrigen Gefolges lag und die Auseinandersetzung der Brüder verfolgte.
Der Anblick des Architekten schien Antipas noch zorniger zu machen. »Ich herrsche über Juden«, schrie er Philipp an. »Du dagegen regierst bloß unbeschnittene Wilde, die sich Tücher wie Windeln um den Kopf wickeln.«
Philipp warf einen kurzen Seitenblick zu Pilatus. »Ich glaube«, antwortete er gelassen, »dass man einst auch die Römer als heidnische Wilde ansah. Und nun …«
»Du verdrehst mir das Wort im Mund«, brüllte Antipas.
»Wie kann das sein?«, fragte Philipp. »Wo du doch den Mund so voll nimmst, dass da kein bisschen Platz mehr bleibt.« Philipps Gefolge schüttelte sich vor Lachen.
Antipas stemmte beide Fäuste in die Kissen seiner Liegebank, und sein Gefolge schrie laut durcheinander, sodass man sein eigenes Wort nicht mehr verstand. Manche machten obszöne Gesten, einige gingen sogar noch weiter und schimpften mit Worten, die ein Fürst sonst nie zu hören bekam: »Kröte« … »große Töne und nichts dahinter« … »Redenschwinger« … »Weichling« …
Es wollte kein Ende nehmen. Pilatus stand auf. » Silentium «, gebot er, doch niemand hörte auf ihn. Er hob die Hand, doch auch diese Geste brachte keine Ruhe. Erst als auf sein Zeichen hin sein
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