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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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hat sich zusammengerottet.«
     
    Unterhalb des Palastes hatten sich mehrere tausend Menschen versammelt. Die meisten hatten an dem Leichenschmaus für das Volk in der Unterstadt teilgenommen und waren anschließend einem Aufruf gefolgt, vor die Mauern des Königspalastes zu ziehen. Niemand wusste so genau, woher der Aufruf kam und was dahinter steckte, doch gerade das stachelte die Neugier der Menschen an. Zu ihnen gesellten sich Männer und ganze Cliquen, die während der Herrschaft des Herodes mundtot gemacht worden waren: Gegner des weltlichen Lebensstils der Königsfamilie ebenso wie Gegner der römischen Bevormundung. Nun sahen sie die Möglichkeit, ihrem aufgestauten Ärger Luft zu machen. Und diese Masse wiederum gab sogar den Armen für kurze Zeit Mut, auf ihr Los aufmerksam zu machen, an dem die hohen Steuern unter Herodes einen hohen Anteil Schuld trugen. Die Mischung war brandgefährlich, kein Zweifel, doch noch schwangen die Menschen nur Reden und gaben sich selbst einen harmlos klingenden Namen: Volksversammlung.
    » Knesset ?«, rief Archelaos und musste aufstoßen. Er hatte es sich auf dem Schmaus gut gehen lassen und ein knappes Dutzend Kelche voll mit dem besten Wein des herodianischen Kellers geleert. Sein Schluckauf brachte ihn zum Lachen; er entschuldigte sich dafür immer wieder beim Hohepriester, doch das änderte nichts. Archelaos hatte weder seinen Bauch noch seinen Kopf unter Kontrolle.
    Einige Mitglieder der Familie hatten sich im Thronsaal zusammengefunden, die einen betrunken, die anderen übersatt, fast alle schläfrig, und das alberne Betragen ihres neuen Familienoberhauptes kümmerte sie recht wenig. Mit einer Ausnahme.
    Akme amüsierte sich königlich über ihren Neffen, der mit zerzausten Haaren und roter Nase auf einem Thron saß, der ihm in mehrerlei Hinsicht viel zu groß war. Tatsächlich war Archelaos ein lang aufgeschossenes, schmächtiges Bürschchen, das wie eine hübsch angezogene Holzpuppe zwischen den schweren, goldverzierten Lehnen des Herrscherschemels wirkte. Der Rausch ließ seine ohnehin weichen Gesichtszüge noch weiter verschwimmen. Akme konnte sich an keine einzige Situation erinnern, in der ihr Bruder so hilflos ausgesehen hatte wie sein Sprössling jetzt. Die Jahre in Rom, in denen er weich geworden war, und die letzten Jahre in Judäa, die ihn ängstlich gemacht hatten, trugen nun ihre faulen Früchte. Doch das konnte ihr nur recht sein.
    »Es sind Pharisäer darunter«, berichtete der Hohepriester empört und wischte sich die Stirn mit einem Tuch trocken. »Man muss auf sie Acht geben, denn sie verstehen es, das Volk gegen die Lebensweise dieses Hofes aufzuwiegeln. Einerseits verbreiten sie neue und falsche Lehren im Namen des Einen Gottes, andererseits sind sie ungewöhnlich rückständig. Sie missbrauchen den Herrn für ihre schäbige Stimmungsmache, und die Leute fallen darauf herein.«
    Akme schmunzelte in sich hinein. Sie hatte keine von Herodes unterdrückte Gruppe vergessen, als sie heimlich über Mittelsmänner diese Kundgebung initiierte. Auch die Pharisäer nicht, jene beliebte Sekte, der die religiösen Gesetze zu lasch und die Lebensweise der Bevölkerung zu freizügig waren. Ein paar aufrührerische Andeutungen hatten genügt, ein paar Hinweise, dass kein Zeitpunkt für Forderungen günstiger sei als ein Thronwechsel, und schließlich der Fingerzeig auf den Schmaus, der eine hervorragende Möglichkeit für eine Versammlung bot, und schon war die Giftbrühe bereitet. Archelaos stand vor einer schwierigen Aufgabe, und er konnte fast alles nur falsch machen.
    »Holt mir …« Archelaos gickste und kicherte dann kurz. »Holt mir Nikolaos. Er weiß, was zu tun ist.«
    »Er schläft«, berichtete der Hohepriester.
    Archelaos lachte. »Dann wecke ihn.«
    »Er lässt sich nicht wecken. Er muss zu viel getrunken haben.«
    Akme unterdrückte ein Lachen. Ein Mann wie Nikolaos war zu alt und zu besonnen, um sich besinnungslos zu trinken, daher hatte sie dafür gesorgt, dass ein Pulver seinen Schlaf ein wenig tiefer machte.
    Sie ging auf Archelaos zu und stellte sich neben den Thron, wie sie es früher bei Herodes oft getan hatte. »Mein Lieber, wenn ich dir einen Rat geben darf …«
    »Aber ja«, rief er freudig aus und stieß erneut auf. »Gerne.«
    Sie legte den Arm um Archelaos. »Sprich mit ihnen. Sie sollen sich im großen Vorhof des Tempels versammeln und deine Ansprache hören. Sage ihnen, du möchtest noch auf die Bestätigung des Augustus warten und

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