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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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schnell nach hinten zu ihm durch. »Wie kann er es wagen, betrunken das Tempelgelände zu betreten«, hieß es, und dann: »Was? Er lässt sich vom Augustus einsetzen? Von einem Heiden?« Vereinzelt gab es auch Beifall, wenn Archelaos eine Maßnahme ankündigte, doch selbst das gereichte ihm nicht zum Vorteil, denn die Leute hielten ihn jetzt für schwach und willfährig. Vielleicht verstanden sie erst in diesem Moment vollkommen, dass Herodes tot war und die Zeiten nun in vielerlei Hinsicht andere waren. Nach Herodes begann nun auch sein Schatten, die Welt zu verlassen.
    Einzelne Zwischenrufe machten den Anfang, dann schrien ihm die Leute von überall ihre Forderungen entgegen. Was auch immer Archelaos zur Beschwichtigung unternahm, die Steuern konnten den Leuten nicht niedrig genug, die Amnestie nicht umfassend genug, die Löhne nicht hoch genug sein. Wie auf einem Markt ging es zu, nur dass hier die Preise nicht niedriger, sondern höher wurden. Schließlich flogen sogar einige Gegenstände auf die Bühne, von der herab Archelaos redete. Dem Sohn des Herodes blieb nichts anderes, als den Hof fluchtartig zu verlassen.
    Sadoq lächelte. Da hatte er seinem Vater nachher vieles zu erzählen. Er beobachtete noch einen Moment lang die tobende Menge, dann entschloss er sich endgültig zu gehen.
    Doch plötzlich, fast vor seiner Nase, wurde das Tor von außen geschlossen. Auf den Balustraden marschierten Soldaten auf und spannten ihre Bögen. Noch bevor Sadoq verstand, was geschah, fielen die ersten Männer auf dem Hof getroffen zu Boden. In alle Richtungen rannten die Menschen davon. Aus einem der Tore strömten haufenweise Soldaten und packten jeden, der ihnen in die Finger kam und schlugen ihn, Greise wie Kinder.
    Sadoq war wie gelähmt. Noch immer begriff er nicht, was hier vorging. Das konnte nicht sein, ein Blutbad im Vorhof des Tempels, das gab es nicht, unmöglich. Doch keine drei Schritte von ihm entfernt schlug der Knauf eines Schwertes krachend auf den Kopf eines Flüchtenden, und an einer anderen Stelle trat ein Soldat mit seinen Stiefeln auf einen Jungen ein, der noch die Tracht des Unmündigen trug. Ein Mann fiel, von einem Pfeil getroffen, vor seinen Füßen zu Boden. Jetzt erst rührte Sadoq sich. Er kniete sich neben den Mann und versuchte ihm zu helfen, doch der Pfeil steckte zu tief. Sadoq sah auf seine Hände, die rot und klebrig waren, und unter dem Körper des Mannes kroch langsam das Blut hervor.
    Sadoq blickte auf. Von vorne kam ein Soldat auf ihn zu, das Schwert erhoben. Sadoq sprang geradewegs auf den Soldaten zu und warf ihn zu Boden. Er setzte sich auf den Bewaffneten, rang ihm das Schwert aus den Händen und umklammerte es mit beiden Händen. Er spürte, wie seine blutnasse Hand an dem Griff klebte, und dachte noch, es sei falsch, zu dem vielen Blut nun auch noch das des Soldaten zu vergießen. Doch im gleichen Moment stieß er zu.

3
    Salome saß im Sand und streckte ihre Füße den Wellen entgegen, die sanft plätschernd kamen und gingen. Sie zählte sie bis neunundsiebzig, dann kam sie nicht weiter, denn niemand hatte ihr bisher erklärt, was dieser Zahl folgte. So begann sie nacheinander die vielen krächzenden Vögel zu zählen, dann die seltsamen, seitlich gehenden Krabbeltiere am Strand, und schließlich stand sie auf und sammelte neunundsiebzig Muscheln, die sie in ihrer geschürzten Tunika vor sich hertrug. Nachher würde sie sie in der Sänfte putzen und vielleicht eine Kette daraus machen.
    Salome blickte in alle Richtungen ihrer neuen Heimat. Das Blau des Himmels und das des Meeres gingen fast nahtlos ineinander über, dazu die salzige Luft und der weiche Sand – es gab nichts, das ihr nicht gefiel. Der Tross war von Jerusalem aus eine Weile am Flüsschen Sorek entlang gezogen und schließlich nach Emmaus gelangt, einer Stadt, die nicht groß, jedoch voll gestopft mit Menschen war. Die Häuser waren hier weit höher als jene in Jerusalem, aber sie sahen aus, als könnten sie jeden Augenblick zusammenfallen. Dazu schien es, als hätte hier jeder etwas zu verkaufen. Die Menschen rannten neben den Sänften her, riefen Zahlen und scheuten sich nicht einmal, ihre Waren durch die geschlossenen Vorhänge zu halten. Lustig daran fand Salome nur den Schrei, den Herodias ausstieß, als ihr ein Käfig mit einem seltsam aussehenden Vogel darin vor die Nase gehalten wurde. Die Wachen mussten die aufdringlichen Händler schließlich mit Hieben vertreiben.
    Doch je näher sie der Küste kamen,

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