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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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sympathisch. Außerdem: Hatte ihre Mutter nicht erst neulich gesagt, dass Frauen zusammenhalten müssten, um Erfolg zu haben?
    »Kannst du mir etwas beibringen?«, fragte sie.
    Ihre Großtante lachte. »Noch nie hat mir jemand eine solche Frage gestellt.«
    »Dann trauen sie dir vielleicht nichts zu, Großtante, oder sie haben Angst vor dir.«
    Die Alte zog die Augenbrauen in die Stirn. »Du scheinst keine Angst zu haben. Findest du das klug?«
    Salome überlegte. »Ich weiß nicht, ob das klug ist. Gerade deswegen brauche ich ja jemanden, der mir ein bisschen was beibringen kann.«
    Die Alte lachte erneut und zog damit sogar den Blick der Streithähne auf sich, die jedoch sofort weiterdebattierten. »Ich könnte dir sogar eine ganze Menge beibringen«, sagte die Alte schmunzelnd. »Doch das wäre ein bisschen früh. Und ob jemand wie du dieses Wissen überhaupt nutzen könnte …«
    »Und wie!«, behauptete Salome und ertrug den forschenden Blick der Alten. »Ich weiß, dass ich nicht so aussehe, aber ich kann lernen.«
    »Die meisten Mädchen und Frauen verlieren rasch die Lust daran, weißt du? Oder die Lust wird ihnen ausgetrieben. Wie auch immer, deine Begeisterung hält höchstens bis zum Ehestand oder zur Mutterschaft an. Dann sind dir andere Dinge wichtiger, und alles, was du gelernt hast, war vergebens. Also spare dir und mir die Mühe und sei wie die anderen Mädchen dieser Familie: gleichgültig.«
    »Ich bin nicht wie die anderen«, rief Salome so heftig, dass sie gleich darauf husten musste. Als sie sich wieder gefangen hatte, fuhr sie nicht weniger bestimmt fort: »Alle sagen, ich sei hässlich, außer Berenike, und die sagt es bloß aus Freundschaft nicht. Sobald ich schreie oder lache, kriege ich schwer Luft. Ich bin nicht so schön wie die anderen, und ich bin nicht so gesund wie die anderen, also will ich wenigstens klüger als die anderen sein.«
    »Hm.« Akme lehnte sich nachdenklich zurück. Sie hatte viel erreicht in ihrem Leben. Sie hatte geholfen, Herodes zu dem zu machen, was er gewesen war, im Guten wie im Schlechten. Sie stand ihm nahe genug, um etwas von seinem Ruhm abzubekommen, der bis nach Rom zu Augustus drang, und war doch stets so weit im Hintergrund geblieben, um nicht vom Volk gehasst zu werden. Sie war immer die wichtigste Frau im Leben des Königs gewesen, und nun erhielt sie einen Teil seines Landes.
    Doch sie hatte auch einiges verloren. Ihren Gatten hatte sie nie geliebt, und sein Tod in einer Schlacht bereitete ihr kaum Kummer. Ihre einzige Tochter dagegen … Der Schmerz über diesen furchtbaren Verlust wütete bis heute in ihrem Herzen. Manchmal hörte sie das Lachen der Kleinen in ihren Träumen, jenes Lachen am Tag ihres zwölften Geburtstages, als sie die religiöse Volljährigkeit erlangte. Nur eine Woche später lag sie sterbenskrank in ihren Armen und schloss ihre fieberglühenden Augen für immer.
    Von dieser Stunde an war sie einsam gewesen, und einsam fasste sie bald darauf den Entschluss, eines Tages gegen alle Traditionen Königin zu werden. Ohne diesen Lebensplan wäre sie verrückt geworden, und sie opferte ihm fortan das Wenige, das sie noch besaß: ihre Gedanken, ihre Zeit, ihre Familie. Nach außen ließ sie sich nichts anmerken, aber in ihrem Innern brannte sich dieses Ziel ein wie die Gebote in den Berg Sinai. Wenn ich nicht Königin werde, dann will ich nicht mehr leben, sagte sie sich jeden Morgen als Erstes und jeden Abend als Letztes. Sie war seither weit gekommen. Noch war sie lange nicht am Ziel, noch war es nicht einmal in Sicht, noch standen ihr Hindernisse im Weg, doch zum ersten Mal spürte sie heute seine Nähe.
    Sie sah ihre Großnichte an. Sie war fast so alt wie ihre Tochter an ihrem letzten Tag. Oh, es gab keine Ähnlichkeit zwischen den beiden, weder im Aussehen noch im Charakter, da machte sie sich nichts vor. Und doch spürte sie, dass von dem Mädchen ein Gefühl ausging, mit dem sie lange nichts mehr zu tun gehabt hatte: Zuneigung. Und sie stellte überrascht fest, dass sie dieses Gefühl, ohne es zu wissen, vermisst hatte.
    »Hast du schon einmal das Meer gesehen?«, fragte sie.
    Salome schüttelte den Kopf, so dass ihr Zopf hin und her flog.
    »Nun, meine Kleine, vielleicht sollten wir mit dieser Lektion anfangen.«
    Salome nahm allen Mut zusammen und schob die kleine Hand in die größere und faltige Hand der alten Frau.
     
    Salome schlenderte durch die Gänge des Jerusalemer Palastes. Ihre Hand glitt an den Marmorkacheln der Wand

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