Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome
nicht sein«, rief sie. »Das habe ich nicht verdient.«
»Deine Tochter Salome übrigens ist von der Schenkung an die Enkelkinder ausgenommen. Sie erhält nichts.« Er betonte jedes Wort, als er hinzufügte: »Keinen einzigen sekel .«
So viel verstand Salome von den Dingen schon, dass sie und ihre Eltern von Herodes quasi verstoßen worden waren. Auch Berenike und der blöde Kephallion würden Geld erhalten, nur sie selbst nicht. Und ein talent für ihren Vater – das hörte sich wenig an. Herodias standen die Tränen in den Augen, und Salome bereute, dass sie neulich nicht einfach den Mund gehalten hatte, als ihr Großvater so mürrisch zu ihr gewesen war.
Sie schob ihre Hand in die ihrer Mutter, doch die schüttelte sie einfach ab und weinte in ihren Ärmel.
Theudion ermahnte sie. »Nicht jetzt, Herodias, nicht hier vor den anderen. Das haben wir nicht nötig. Wir sind stolz genug, um …«
»Lass mich in Ruhe mit deinem gottverfluchten Stolz«, schrie sie ihn mit geröteten Augen an. »Er hat uns arm gemacht. Hörst du? Arm!«
»Nur arm an Geld«, ergänzte er gereizt. »Nicht arm an …«
»Ja!«, brüllte sie ihn noch lauter als zuvor an. »Ja, an Geld. Was denn sonst, du … du …« Herodias stürzte aus dem Raum.
Für einen Moment verlor Theudion die Kontrolle über seinen Körper. Die Schultern und Arme hingen kraftlos herab, der Kopf sank nach vorne. Sein ganzer Körper wurde scheinbar nur noch durch die Tunika zusammengehalten. Doch schon im nächsten Augenblick richtete er sich auf wie Phönix aus der Asche. »Wir brauchen das Geld dieses Schlächters nicht«, rief er sich und den anderen zu.
Antipas ging auf seinen Bruder zu. Er hatte gerade Peräa, Moab und Galiläa erhalten, reiche, fruchtbare Provinzen entlang des Flusses Jordan und am See Genezareth, Landstriche voller Haine, Getreidefelder und Festungen. Er war bester Laune.
»Wenn das so ist«, meinte er grinsend, »dann kannst du mir dein eines talent gerne abtreten. Ich kaufe mir davon eine Kuhherde und schicke dir die Milch. So machst du dir nicht deine Hände mit Schlächtergeld schmutzig und musst nicht verdursten.«
Er war zwar der Einzige, der über seine Bemerkung lachte, dafür umso ausgiebiger. Selbst als Theudion ihn am Kragen packte und als hässlichen, fetten Widerling beschimpfte, konnte er sich vor Lachen nicht halten. Theudion hielt es nicht mehr aus. Wie zuvor seine Frau stürmte er aus dem Raum.
Salome blieb allein auf ihrer Bank zurück. Ihre Freundin Berenike zwinkerte ihr zwar aufmunternd zu, das tröstete sie jedoch nicht. Irgendetwas hatten die anderen richtig gemacht und sie und ihre Eltern falsch. Ob es daran lag, dass sie weniger wussten als die anderen? Salome kam nicht weiter mit ihren Überlegungen, denn nun trat der fremde Krieger, der die ganze Zeit abseits gestanden hatte, zu den Erben in die Mitte des Raumes.
»Ich hoffe, es ist allen klar, dass dieses Testament der Zustimmung des Imperator Augustus bedarf, für den ich hier als Römer und als Kommandant der Grenzgarnisonen zum Schutzkönigreich Judäa spreche.«
Der alte Nikolaos antwortete umgehend, um einer womöglich ungeschickten Bemerkung seines Schülers zuvorzukommen. »Selbstverständlich, Coponius. Die Vollstreckung durch den Imperator wird hier von niemandem angezweifelt.«
Und Archelaos fügte hinzu: »Ich selbst werde es sein, der in einigen Monaten nach Rom reisen wird, um bei Augustus um Bestätigung zu bitten.«
»Du allein?«, fragte Antipas und funkelte seinen Bruder an. »Nein, ich reise mit dir. Ich will nicht, dass du vor dem Augustus für uns alle sprichst. Es betrifft ebenso Philipp und mich – und natürlich Tante Akme. Um Missverständnisse zu vermeiden, sollten wir …«
»Willst du damit etwa sagen, dass ihr mir nicht traut?«
Ein Streit um Worte und Wendungen brach aus, der zunehmend wirr wurde und Akme bald veranlasste, sich aus der Gruppe zu lösen. Sie setzte sich neben Salome und legte den Arm um sie. »Sieht so aus, als seist du hier vergessen worden. Die eine kümmert nur das Geld und den anderen der Stolz. Doch wer kümmert sich um dich?«
Salome antwortete nicht sofort. Sie kannte die Frau an ihrer Seite kaum, wusste von ihr nur, dass sie ihre grauen Haare und den schrumpeligen Hals fast immer unter einem Kopfschleier verbarg und wegen ihres vielen klimpernden Schmuckes schon auf hundert Schritte zu hören war. Aber sie schien viel zu wissen, nur darauf kam es an. Das machte sie interessant – und
Weitere Kostenlose Bücher