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Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
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gehst, Coponius.«
    Er zuckte mit den Schultern, stand auf, ohne Herodias noch einmal zu berühren, und öffnete die Tür. Dann fiel ihm noch etwas ein. »Ein guter Rat zum Schluss, Herodias, und ich meine das wortwörtlich, es ist wirklich ein guter Rat von einem guten Offizier. Nimm dich in Acht vor deiner Tochter. Sie hat hoch fliegende Ideen, ist klug, unerschrocken und willensstark. Solche Menschen sind nur schwer im Zaum zu halten. Eines Tages, Herodias, musst du dich entscheiden, ob du ihre Mutter – eine wirkliche Mutter – sein willst oder ihre Gegnerin. Versuchst du beides zu sein, wirst du ihr unterliegen, und dann möge dein Gott dir beistehen.«
     
    Schon nach einer Woche konnte Salome den Anblick des Sees kaum noch ertragen. Er kam ihr viel zu schön vor, wie ein Paradies, in dem alle Sinne eine Heimat zu haben schienen und nichts unvollkommen geblieben war. Der ständig wehende, leise Wind kräuselte seine Oberfläche, und die Sonne verlieh ihm einen bläulichen Schimmer, der die Augen beruhigte und die Hitze kühlte. Sein süßes, frisches Wasser war voller Fische, eine nie versiegende Quelle des Wohlstands. Genezareth: Fast schon ein Meer, ein Meer aus Segeln, gesäumt von Pinien und Zedern, die auf diesem Fleck zwischen Wärme und Wasser ihren herben Duft besonders reichlich verströmten. Seine bewaldeten, zum Wasser abfallenden Ufer machten Genezareth zu einer warmen, abgeschlossenen Welt.
    Doch diese Welt, dieses Paradies, wurde von Antipas regiert. Ihr Onkel war ein Widerling und verdarb ihr jede Laune. Alles an ihm stieß sie ab, seine ganze Erscheinung, seine überquellende Korpulenz, die im krassen Gegensatz zu seiner grotesken Schreckhaftigkeit stand, seine hohe Stimme, der meist ein jammernder Ton unterlegt war, das immerwährende Grinsen, das keines war, sondern ein Blecken der Zähne, ganz egal, was Antipas sagte oder tat, sein Mangel an Reinlichkeit, die Art, wie er schöne Frauen ansah, sein kindischer Aberglaube … Sie hätte die Aufzählung noch bequem bis in die Dunkelheit fortsetzen können.
    Doch die offizielle Einweihung der neuen Hauptstadt Galiläas, Tiberias, fand erst in drei Wochen statt, und erst dann wurde auch Coponius’ Nachfolger Pontius Pilatus erwartet, der der einzige Grund ihres Aufenthalts war. So lange musste sie also noch hier bleiben und gemeinsam mit ihrer Mutter kuren, wie Herodias es nannte.
    Salome wandte ihren Blick vom See ab und ging ein paar Schritte durch den Garten. Er war unglaublich dicht bewachsen, ein grünes Geflecht aus Pflanzen. Von dem Steinweg, der sich wie ein Pfad durch eine tiefe Schlucht wand, führten kleinere Seitenwege ab, die zu verborgenen Winkeln führten. Zypressen, Hanfpalmen und Drazenen ragten wie riesige Schwerter in den Himmel, und Lilien in den unterschiedlichsten Farben bildeten dichte Blumenteppiche. Salome fehlte jedoch der Geruch des Meeres und der Zitrushaine.
    Vom Hügel, auf dem der Palast stand, kam Berenike heruntergelaufen. Sie trug trotz des für den Herbstmonat cheshwan warmen Wetters eine langärmelige, dunkelbraune Tunika aus grober Webarbeit, in der sie sicherlich furchtbar schwitzte. Das Gewand war zudem dermaßen hässlich, dass Salome sich ihres leuchtenden roten Kleides und des feinen goldenen Schmucks an Armen, Ohren und Hals beinahe schämte.
    »Nun«, rief sie ihrer Freundin entgegen, »hat dein Mann vergessen abzuschließen, oder hat er heute seinen großzügigen Tag?«
    Berenike hatte vor einem Jahr auf Wunsch ihrer Eltern heiraten müssen, und zwar ausgerechnet Kephallion. Wie Salome nicht anders erwartete, behandelte Kephallion ihre Freundin nicht gut. Er zwang sie in lange, unvorteilhafte Kleider, damit sie nicht in Versuchung käme. Er legte fest, wann sie im Palast zu bleiben hatte und wann sie hinausgehen durfte, wen sie empfangen durfte und wen nicht. In ihren Briefen an Salome hatte Berenike nichts von diesen Verboten berichtet, was daran lag, dass Kephallion jeden einzelnen vorher las. Erst hier hatte Salome davon erfahren.
    Berenike machte ein betroffenes Gesicht. »Mach keine Witze darüber. Kephallion und ich haben uns darüber verständigt, wie oft du und ich uns sehen dürfen. Eine Stunde, jeden zweiten Tag.«
    »Sehr nett von ihm«, kommentierte Salome sarkastisch. »Du hast Kephallion gegenüber ja schon immer eine gewisse Hörigkeit gezeigt. Hat er dich mittlerweile so weit, dass du den Unsinn, den er redet, auch noch gut findest?«
    »Du verstehst das nicht, Salome. Es ist nicht nur

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