Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome

Titel: Die Schleier der Salome - Walz, E: Schleier der Salome Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Walz
Vom Netzwerk:
geschnitten und luftig. Beim leisesten Windhauch bewegte sich der zarte, transparente Stoff, der außer Händen, Hals und Gesicht den ganzen Körper bedeckte, auch die Kopfhaare. Auf der Stirn der Araberin prangte eine zarte, runde Silberdublette in Münzgröße.
    Bevor Salome einen Gruß hinaufschicken konnte, war die Unbekannte schon wieder verschwunden.
    Hinter Salome raschelte es im Gebüsch. Sie drehte sich um und sah Berenike.
    »Ich habe mich albern benommen«, sagte ihre Freundin. »Ich hätte das über Timon nicht sagen sollen, und ich hätte auch nicht weglaufen sollen. Nun ist unsere Stunde fast um, und ich muss wieder zwei Tage darauf warten, dich zu sehen.«
    »So ein Un …« Das Wort »Unsinn« schluckte Salome hinunter, denn sie wollte Berenike nicht noch betroffener machen, als sie es ohnehin schon war. »Stunde hin oder her: Wir nehmen uns jetzt noch ein wenig Zeit. Komm, lass uns zum See gehen.«
    Salome hakte sich bei Berenike unter und führte sie die einhundert Stufen hinab zum Ufer des Genezareth. Das Wasser plätscherte leise an die Ruderboote, die dort lagen, und Salome verspürte den Wunsch, in einen der Kähne zu steigen und hinaus auf den See zu rudern. Doch sie fühlte sich zu schwach, und Berenike hätte ohnehin zu viel Angst, also ließ sie den Plan wieder fallen und setzte sich stattdessen auf die kleine Ufermauer, zog die Sandalen aus und streckte die Füße ins Wasser.
    »Ich habe eben eine Frau gesehen, die ich nicht kannte.«
    »Wo?«, wollte Berenike wissen.
    »Auf der Balustrade. Sie trug weite, bunte Gewänder.«
    »Ach die«, rief Berenike. »Das war vermutlich Haritha, die Frau von Antipas.«
    » Das war die Fürstin?«
    Berenike zuckte mit den Schultern. »Antipas nennt sie nicht so. Wenn er von ihr spricht, sagt er einfach ›meine Frau‹ oder ›Haritha‹. Er spricht nicht oft von ihr. Sie tritt auch so gut wie nie vor dem Hof auf. Die meiste Zeit verbringt sie in ihren Gemächern, nur zu Feiertagen und anderen bedeutenden Ereignissen sieht man sie. Womit sie sich die Tage vertreibt, weiß niemand, denn sie hat kein Kind. Und Antipas ist überall, nur nicht bei ihr.«
    »Sie sieht bezaubernd aus.«
    Berenike machte ein Gesicht, als wäre ihr dieses Wort im Zusammenhang mit Haritha nie in den Sinn gekommen. »Sie ist … ungewöhnlich. Obwohl sie zum Judentum übergetreten ist, so wie alle fremdländischen Frauen, die einen jüdischen Mann heiraten, benimmt sie sich alles andere als jüdisch. Ihre Kleidung hast du ja gesehen. Sie zieht diese vielen Schleier übereinander an und umgeht damit das höfische Kleidergebot. Rabban Jehudah ist zwar empört, kann aber nichts gegen ihre Aufmachung tun, denn die Kleider bedecken fast den ganzen Körper und erfüllen damit die sittlichen Gebote. Trotzdem ist Haritha eine Provokation.«
    »Wegen der Farben?«, fragte Salome und blickte an ihrer eigenen, leuchtend roten Tunika herab. »Dann wäre ich ja auch eine Provokation.«
    Berenike kommentierte das nicht. »Vor allem wegen ihrer Bewegungen. Sie macht manchmal so seltsame Gesten mit den Händen, und ihr Gang ist der einer babylonischen Hu …« Berenike stockte, als sei es bereits eine Sünde, das Wort Hure auszusprechen. »Jedenfalls dringt manchmal heidnische Musik aus ihren Gemächern, und manche glauben, dass Haritha dort heimlich …« Berenike machte eine bedeutungsvolle Pause und flüsterte dann: »…tanzt.«
    Salome lachte auf. Ihre Freundin tat so, als sei Tanz etwas Verwerfliches, und tatsächlich fand sich im Judentum keine Verwendung dafür, im Gegenteil. Der Tanz schöner Frauen oder muskulöser Männer galt als heidnischer Ritus, der in den Tempeln ägyptischer, syrischer oder afrikanischer Gottheiten teils ekstatisch praktiziert wurde. Salome hatte einiges darüber gelesen und fühlte sich von den Beschreibungen – mit Ausnahme einiger extremer Rituale, bei denen Blut oder gar Menschenopfer mit im Spiel waren – nicht im Geringsten abgestoßen. Es war jedoch nicht verwunderlich, dass ein gläubiger Jude, noch dazu an diesem Hof, noch dazu Kephallion, Tänze als teuflische Verführung verdammte.
    »Solange sie nur für sich tanzt – wo ist das Problem?«, fragte Salome.
    »Wer weiß, welche scheußlichen Riten sie dabei absolviert«, wandte Berenike ein.
    »Ich höre jetzt ganz deutlich Kephallion sprechen.«
    Berenike senkte die Augen wie eine Ertappte. »Ja, und in diesem Fall hat er Recht.« Plötzlich schien sie sich an etwas zu erinnern. Sie sprang auf und

Weitere Kostenlose Bücher