Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen
Marmeladenglas hängen würde.«
»Es geht ums Prinzip. Es ist meine Sache, das Glas zu öffnen.«
»Nicht, wenn du es nicht schaffst.«
»Ich habe bloß eine Pause eingelegt, beim nächsten Versuch wäre es fällig gewesen.«
»Wie gesagt, meine Freundin Inge redet das ihrem armen Mann auch ein. Aber kommen tut sie nur bei einem gewissen Karl-Heinz aus Bad Vilbel.«
Schmalenbach sprang auf, er lief zornig durch die Küche. »Typisch, ich leiste die Vorarbeit, und du steckst dir die Lorbeeren an. Wenn ich den Deckel nicht gelöst hätte, hättest du ihn niemals aufbekommen.«
Elke aß unbeeindruckt weiter. »Das sagt Inges Mann übrigens auch: Er leistet die Vorarbeit, und Karl-Heinz schöpft dann mit seiner Kür den Rahm ab. Wenn du mich fragst, ist das eine männliche Lebenslüge.«
Was sollte man nach so einer Demütigung noch anfangen? Schmalenbach setzte sich in den Sessel und starrte düster vor sich hin. Er hatte seinen Part an Elke abgegeben, er war nicht mehr der Mann: Er war der, dessen Frau ihre Marmeladengläser selbst öffnete. Er sah sich schon in Filzpantoffeln und mit einer Decke über den Beinen am Fenster sitzen, während Elke im knappen Mini in den Sportwagen irgendeines Karl-Heinz stieg, der ihr auf dem nächsten Autobahnparkplatz zeigte, wozu ein Mann fähig war, wenn man ihn nur ließ. Und Schmalenbach würde derweil die Thermosflasche mit heißem Kakao aufschrauben, die Elke ihm zurückgelassen hatte.
Elke schrie um Hilfe. Schmalenbach rannte ins Bad. Sie saß auf der Badewanne, die Beine angezogen. Elke starrte angsterfüllt auf eine Spinne, die über den Spiegel lief. Schmalenbach handelte, ohne lange zu überlegen. Er riss ein Stück Klopapier von der Rolle und brachte das Insekt noch auf seinem Parcours zur Strecke. Die Leiche ließ er auf dem Spiegel kleben. »Das kommt von der Marmelade, die lockt sie an«, sagte er.
Elke klammerte sich an ihn: »Bitte, bitte, mach das weg!«
»Später«, sagte er, »… vielleicht.« Dann zog er seine Jacke über und verließ das Haus, um in einem Café die Zeitung zu lesen und sich am Anblick hübscher junger Frauen zu ergötzen.
Wie man einen Freund loswird
Schmalenbach hatte genug. Genug von den Angebereien. Genug von der Großspurigkeit. Genug von der Unzuverlässigkeit. Von der Rücksichtslosigkeit und von der Berechnung. Er hatte genug von der Selbstgefälligkeit und der Weinerlichkeit. Genug von der hemmungslosen Selbstüberschätzung, aber auch von den Minderwertigkeitskomplexen. Er hatte genug von der Verschwendung, genug vom Geiz. Genug von sexuellen Prahlereien. Erst recht genug vom Kokettieren mit der Impotenz. Er hatte genug von den Attitüden, mit denen er Abend für Abend gequält wurde. Er hatte genug davon, sich weit unter seinem Niveau zu unterhalten. Er hatte genug von den zahllosen, nie witzigen, aber immer geschmacklosen Blondinenwitzen.
Schmalenbach hatte genug von Pfeifenberger. Endlich genug. Nach über zwanzig Jahren.
»Man muss auch mal die Kraft haben, eine Freundschaft zu beenden«, bestärkte Elke ihn. »Das ist ein Zeichen von innerer Reife.«
Schmalenbach biss sich auf die Unterlippe. Es tat weh.
»Er ist mein bester Freund.«
»Das hat Schröder über Lafontaine auch gesagt.«
»Bei uns geht es um eine echte Freundschaft: Wir waren uns einmal sehr nahe.«
»Schöne Freundschaft: Pfeifenberger macht sich hinter deinem Rücken über dich lustig.«
»Das nimmst du sofort zurück, Elke!«, schrie Schmalenbach.
»Und wer hat damals das Gerücht in die Welt gesetzt, du hättest in die PDS eintreten wollen und wärst wegen Linksabweichlertum abgelehnt worden? Weißt du noch, wie er übers Wochenende deinen Wagen ausgeliehen hatte? Du hast ihn montags vom Rasthaus Wetterau abschleppen lassen müssen – mit leer gefahrenem Tank.«
»Das war allerdings ein starkes Stück, das gebe ich zu, aber er hat sich entschuldigt.«
»Weißt du, was meine Kolleginnen sagen, Schmalenbach? Sie sagen, bei deiner Intelligenz könntest du ganz anderen Umgang haben. Pfeifenberger ist unter deinem Niveau.«
»Woher wollen deine Kolleginnen denn das wissen?«
»Woher schon? Ich hab’s ihnen gesagt.«
Das Telefon klingelte. »Treffen sich zwei Blondinen«, begann Pfeifenberger gut gelaunt. »Sagt die eine: Du siehst aber schlecht aus. Sagt die andere: Kein Wunder. Ich habe doch diese Afrikareise gemacht. Mit Fotosafari durch den Busch. Der Jeep blieb im Schlamm stecken, wir mussten aussteigen. Da kam plötzlich ein
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