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Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen

Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen

Titel: Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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ausgelesen.«
    »Du bist der einzige kultivierte Mensch hier, weißt du das?«, sagte Schmalenbach.
    »Ja, ich weiß. Setzen wir uns zu Pfeifenberger?«
    »Ich habe das Kapitel Pfeifenberger abgeschlossen. Ich will nichts mehr mit ihm zu tun haben. Er ist primitiv und geistlos, um nicht zu sagen: geistfeindlich.«
    »Stimmt!«, sagte Germersheimer. »Aber eins muss man Pfeifenberger lassen: Er erzählt die besten Blondinenwitze weit und breit. Hast du den mit dem Gorilla schon gehört?«
    Schmalenbach legte die Zeche abgezählt auf die Theke.
    »Du wirst dich in Zukunft entscheiden müssen«, sagte er zu Germersheimer. »Er oder ich.«
    Draußen atmete er freier. Der wichtigste Schritt war getan. Jetzt ging es nur noch um Disziplin: keine Anrufe auf dem Anrufbeantworter, keine Briefe, keine Karten beantworten. In sechs bis acht Wochen war alles vorbei, dann kannte er keinen Pfeifenberger mehr. Dafür hatte er dann seinem Entwicklungsstand gemäße Freunde wie Manderscheid oder Joschka Fischer oder Joop! Er musste nur eins: stark sein, nicht schwach werden.
    Morgens um Viertel vor sechs schrillte das Telefon.
    »Was is’n mit dir los?«, lallte Pfeifenberger, im Hintergrund hörte man einen Flipperautomaten klirren.
    »Ruf mich nicht mehr morgens um Viertel vor sechs Uhr an!«
    »Wenigstens den Schluss des Blondinenwitzes muss ich dir noch erzählen. Sagt die Blondine, reißt mich der Gorilla in die Büsche und nimmt mich gleich vier Mal hintereinander …«
    »Ruf mich am besten überhaupt nicht mehr an!«, sagte Schmalenbach und legte auf.
    Nachmittags kam ein Fax in sein Büro. Mit einer Kinderzeichnung. Ein Gorilla, ziemlich gegen die Natur gezeichnet, und eine Blondine, stark überzeichnet. Darunter stand: Dein Freund Pfeifenberger. Schmalenbach fand das Fax geschmacklos und anbiedernd, er zerknüllte es und warf es in den Papierkorb.
    Abends waren drei Anrufe von Pfeifenberger auf dem Band. Der erste überdreht. Der zweite offiziell. Der dritte jämmerlich: »Sind meine Witze etwa nicht mehr gut genug für dich?«
    Schmalenbach löschte alle drei Anrufe, stellte das Telefon ab und ging früh zu Bett.
    Am nächsten Tag kam eine Ansichtskarte mit einem Panoramablick auf den Taunus. Wir haben Superwetter hier und eine Spitzenstimmung. Der Kulturverein Friedberg feiert meinen jüngsten Blondinenwitz mit einer szenischen Aufführung. Uff, du fehlst mir. Yours truly. Dein Freund Pfeifenberger.
    Schmalenbach blieb hart. Eine Trennung war eine Trennung.
    Abends um halb zehn rief Carola Pfeifenberger an. »Es geht ihm miserabel. Er hat sein Abendbrot nur zur Hälfte aufgegessen. Und er sagt, er trinkt heute Abend zu Hause. Er geht nicht mehr ins ›Promi‹. Deinetwegen. Ich bitte dich: Rede mit ihm!«
    »Nein. Alles hat mal ein Ende. Auch Freundschaften. Dein Anruf bestärkt mich noch in meinem Entschluss. Dass er dich, seine Frau, anstiftet, mich zu erweichen, das ist erbärmlich. Erbärmlich wie seine Blondinenwitze. Es bleibt dabei: Wir sind getrennte Leute.«
    Elke applaudierte, als er auflegte.
    Nachts träumte Schmalenbach einen seltsamen Traum. Er handelte von einer Blondine und einem Gorilla …
    Am nächsten Tag stand Pfeifenberger auf der Straße vor Schmalenbachs Büro. Stundenlang. Schmalenbach verließ das Gebäude durch den Hintereingang. Nachts – wieder dieser Traum. Dann schickte Pfeifenberger ein Päckchen mit einem gummiartigen Gegenstand. Schmalenbach begutachtete ihn lange – bis er das Briefchen fand: Mein Blinddarm. 1978 verloren. Als wir uns kennen lernten. Ich schenke ihn dir. Dein Freund Pfeifenberger. Schmalenbach warf den vertrockneten Blinddarm in den Sondermüll.
    Nachts, mitten in dem schrecklichen Traum, wachte er auf. Er war schweißgebadet. Er schlich zum Telefon. »Wie geht der Witz aus, sag es mir!«, flehte Schmalenbach.
    »Gehen wir wieder zusammen zum Bier?«, fragte Pfeifenberger.
    »Ja. Nun mach schon!«
    »Sagt die Blondine, reißt mich der Gorilla in die Büsche und nimmt mich gleich vier Mal hintereinander. Sagt die Freundin, das muss ja furchtbar gewesen sein, du Arme. Sagt die Blondine, das war noch gar nichts, jetzt kommt’s nämlich erst: Das Ganze ist drei Wochen her. Meinst du, der schreibt mal, meinst du, der ruft mal an, meinst du, der meldet sich mal?«
    Schmalenbach fühlte sich elend, ganz elend.
    »Super, nicht? Morgen Abend wie immer – im ›Promi‹?«, fragte Pfeifenberger.
    »Ja. Vorausgesetzt, du versprichst mir eines: keine Blondinenwitze

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