Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen
möglich. Deshalb werden sie auch sofort krank, wenn mal ein Virus in ihre Nähe kommt«, erklärte er und trank aus Schmalenbachs Bierglas.
»Du hast gerade aus meinem Glas getrunken!«, sagte dieser.
»Ja, habe ich das? Das war pure Unachtsamkeit.«
»Ich möchte das nicht. Verstehst du?!«
Pfeifenberger breitete die Arme aus. »Sind wir Freunde oder nicht?«
»Das hat damit nichts zu tun. Jeder hat sein eigenes Glas. Es ist eine Kulturleistung, dass wir Menschen nicht mehr aus dem gleichen Trog saufen.«
Pfeifenberger schob ihm sein Glas hin. »Bitte schön. Dann sind wir quitt.«
Als Schmalenbach wegschaute, nahm Pfeifenberger einen kräftigen Schluck und sagte: »Du bist ja noch schlimmer als Elke.« Das genügte. Schmalenbach bezahlte und ging nach Hause.
Elke hatte sich eine neue Zahnbürste gekauft. Sie war signalgrün und trug ein Namensschild: Elke’s. »Du weißt, dass das eine Unsitte ist – dieser falsche Genitiv?«, fragte Schmalenbach – nicht mal unfreundlich.
»Hauptsache, du vergreifst dich nicht an meiner Zahnbürste, du Schmutzfink!«, giftete Elke.
Es war beim besten Willen nicht mehr mit ihr zu reden. Sie drückte sich ein Kissen auf den Bauch und zog die Beine an. Wenn Schmalenbach sich näherte, grunzte sie aggressiv.
»Ich sehe ja ein, dass es ein Fehler war«, gestand Schmalenbach schließlich. »Aber ich hab’s nicht absichtlich getan. Und irgendwann muss man auch mal vergessen können.«
»Nicht so was!«, sagte Elke hart und trank einen großen Schluck giftig rotes Kukident.
Schmalenbach hatte verstanden: Er war verdammt. Auf immer und ewig.
Traurig und müde ging er zu Bett. Als er aufwachte, schlief Elke noch tief. Er betrachtete lange ihr Profil. Unvermittelt kamen ihm die Tränen. Warum hatte er das bloß getan? Warum hatte er sie so verletzt?
Schmalenbach stand leise auf und ging ins Bad. Das Licht über dem Spiegel blendete ihn. Als er seine Fratze sah, wurde ihm die ganze Erbärmlichkeit seiner Situation bewusst. Er hatte alles kaputtgemacht.
Er wusch sich mit eiskaltem Wasser. Dann putzte er die Zähne. Die noch nie benutzte gelbe Zahnbürste wütete in seinem Mund wie ein Schlagbohrer. Die Borsten waren stahlhart und trocken wie Reisig. Schmalenbach hielt den Schmerz nicht aus. Er berührte Elkes neue Zahnbürste. Sie war samtweich, sie passte sich der menschlichen Anatomie an wie ein Maßanzug. Sie sagte: »Tu es! Nimm mich!«
Es war wunderbar, ein beglückendes Gefühl von perfekter Mundhygiene. Diese neue Zahnbürste liebkoste sein Zahnfleisch und verwöhnte die Zähne. Schmalenbach hatte das Gefühl, ein neuer Mensch zu sein. Ein neuer Mensch mit dem jungfräulichen Gebiss eines kräftigen Kleinkindes.
Dann sah er es im Spiegel: der Rachegott, die Maske der Unversöhnlichkeit. Elke stand in der Badezimmertür.
Zappa
Kürzlich sorgte Pfeifenberger mal wieder für Aufregung. Er brachte einen Hund mit. Einen riesigen weißen Hund mit gelben Zähnen und roten Augen. Ein Kalb. Der Hund schüttelte sich. Da es draußen seit Stunden regnete, wurden Schmalenbach und Germersheimer nass gespritzt. Sie sprangen auf und schrien nach einer Küchenrolle. Elvira, die Bedienung, brachte aber nur einen Bierdeckel für jeden.
»Sauerei!«, sagte Schmalenbach, während er seine Hose abtupfte.
Germersheimer nieste zwei Mal, wurde bleich und ließ sich auf einen Stuhl fallen. »Jetzt haben wir den Salat!«, jammerte er. »Meine Hundehaarallergie bricht voll aus.«
Elvira brachte ihm einen Schnaps, den er voller Verachtung runterstürzte. Dann sagte er: »Alkohol hilft da gar nichts. Jedenfalls nicht in diesen homöopathischen Dosen.«
»Ich gebe eine Runde«, verkündete Pfeifenberger. »Auf Zappa.« Er tätschelte den Rücken des Hundes. Zappa bellte dankbar. Schmalenbach und Germersheimer zuckten zusammen.
»Der ist aber lieb«, flötete Elvira und hielt Zappa eine Wurst hin. Er schnappte, und die Wurst war weg. Dann gähnte er. Dieter ließ etwas Wasser in eine Suppentasse laufen. »Jetzt bekommt er bestimmt Durst, das war eine ungarische Wurst«, sagte er. Schmalenbachs angezapftes Bier stand derweil ab. Zappa leckte zwei Mal, und die Tasse Wasser war leer. Dann gähnte er, zeigte seine Zunge und seinen Schlund. Er sah dabei aus wie ein Krokodil.
»Ist der nicht gefährlich?«, fragte Germersheimer bang.
»Und wie!«, antwortete Pfeifenberger. »Der Züchter sagt, mit seinem Gebiss kann er einen Menschenarm mühelos durchtrennen.« Und dann im
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