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Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen

Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen

Titel: Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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Anspannung, die Unrast, der Ärger der letzten Tage lösten sich.
    Die belastenden Zustände, die Schmalenbach von morgens bis abends quälten, die Beziehungs-Streitereien mit Elke, die Zumutungen im Büro, die Nadelstiche der Freunde – das alles spülte die warme Dusche wie Seifenschaum durch Schmalenbachs innere Drainage hinunter bis zu den Zehen und dann in einem flinken Rinnsal in den Abfluss.
    Schmalenbach atmete tief durch, er streckte sich dem heilenden Wasser entgegen.
    Jetzt war die Reinigung zu Ende, jetzt konnte die Phase des puren Wohlbefindens beginnen.
    Schmalenbach schloss die Augen. Die zarte Hand des Wassers streichelte ihm die Wangen. Ganz tief in seinem Innern erklang das Krönungskonzert Nr. 1 in D-Dur von Wolfgang Amadeus Mozart (KV 537), natürlich in der als verschollen geltenden Aufnahme der Berliner Philharmoniker unter dem Dirigat von Herbert von Karajan.
    Alles ist gut, dachte Schmalenbach. Nichts ist wichtig. Nur das Jetzt. Nur das Hier. Und die innere Ruhe. Wenn es jetzt so bliebe, dann wäre das Leben ein einziges Glück.
    Schmalenbach stand unter der Dusche und war bereit, alles hinter sich zu lassen: Elke, ihre Nudelgerichte, den seltenen und dann auch noch verkrampften Sex mit ihr, seine großen Träume von literarischen Meriten, den Ehrgeiz, den er in der Werbeagentur selbst bei Slogans für Spülmittel immer noch an den Tag legte, die fleißige Nachtarbeit an neuen Entwürfen für das Tütensuppenkonzept des 21. Jahrhunderts, mit dem er die Goldene Zitrone erringen wollte, den großen Kreativ-Preis des Verbandes der Werbewirtschaft.
    Das alles war Schmalenbach egal. Es war nicht mal eine Fußnote wert, wenn man unter einer warmen Dusche stand und das innere Universum im Blick hatte, wenn man sich versenkte in die ungesehene Tiefe des Seins, während das warme Wasser aus dem Duschkopf die Seele liebkoste – fein zerstäubt wie Sternenstaub im Alphanebel.
    Ebenso wie Pfeifenberger und Germersheimer. Was bedeuteten schon schwatzhafte, epigonale, sich permanent selbst überschätzende, ständig auf das Unerträglichste renommierende, im Großen und Ganzen unkreative und selbstbezogene Freunde, wenn man kurz davor war, die Grenzen seiner äußerlichen Existenz zu überschreiten, den letzten Schritt zu wagen in das weiße, lichtüberflutete Zimmer, in dem man dem größten Wunder der Schöpfung entgegentrat – nämlich sich selbst?
    Sogar die – an den Maßen der inneren Kosmologie gemessen – immer noch attraktive »Promi«-Bedienung Elvira oder die im Grunde herzensgute, aber völlig unberechenbare Bodybuilderin aus Darmstadt – das waren doch bloß nette Attribute eines nach außen gerichteten Daseins. Dauerhaftes Glück aber, das wurde Schmalenbach unter dem Erkenntnis stiftenden Einfluss seiner neuen Sanoflex-Komfort-Einbaudusche jetzt immer klarer, fand der Mensch nur in der Versenkung in sein unerforschtes Inneres.
    Als Schmalenbach eben diesen großen Gedanken dachte, klopfte es an der Badezimmertür.
    Schmalenbach antwortete nicht, er konnte nicht antworten, schließlich war er unter der Dusche, in seinem persönlichen Nirwana.
    »Warum schließt du ab, wenn du duschst?«, rief Elke.
    Eigenartigerweise fiel Schmalenbach in diesem Augenblick Kästners Monolog in der Badewanne ein: »Ich kündige. Auf meine alten Tage will ich in meiner Badewanne bleiben.« Und dann die hellsichtige Passage, die Schmalenbach jetzt erst verstand, nachdem er jahrelang um ihren Sinn gerungen hatte: »Und weil man nicht, was nach dem Tod kommt, kennt, schreibt man am besten in sein Testament: ›Legt mir ins kühle Grab Warmwasserleitung!‹«
    Er dachte lange über diese Zeilen nach und fand unter dem Eindruck des unverändert warmen Schauers auf seiner weit geöffneten Haut, dass sich dahinter mehr Weisheit verbarg als in allen existenzialphilosophischen Hauptschriften Martin Heideggers zusammen.
    Elke rüttelte an der Klinke der Badezimmertür. »Was machst du denn da drinnen?«, rief sie. Und als keine Antwort von Schmalenbach kam – er spürte gerade, wie die heilenden Wässerchen die letzte Woche in der Werbeagentur geschlagenen Wunden seiner armen Seele in gesundes Muskelfleisch verwandelten, und beschloss, den Heilerfolg nicht durch überflüssige Kommunikation zu gefährden – klopfte sie erneut gegen die Tür, diesmal allerdings entschlossener, wütend über die Frechheit, ausgeschlossen zu sein von geheimnisvollen Vorgängen im Badezimmer der gemeinsam bezahlten Mietwohnung.
    Sie

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