Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen
Ebene.«
Elvira winkte ab. »Wir Frauen genießen es ab und zu, als Repräsentationsobjekte missbraucht zu werden.« Und als Schmalenbach sich deswegen empören wollte: »Wir haben lange genug für dieses Recht gekämpft. Über Generationen!«
Pfeifenberger kam dazu und wurde aufgeklärt.
»Ich überlege ernsthaft, das Klassentreffen zu boykottieren«, schimpfte Schmalenbach. »Man sieht sich nach einem Vierteljahrhundert wieder. Und alles wird einem kaputtgemacht. Mit Damen! Kein offenes Wort. Keine sentimentalen Erinnerungen. Keine derben Anekdoten.«
»Du hast Angst, du kannst nicht mithalten, stimmt’s?«, fragte Pfeifenberger.
Schmalenbach starrte ihn ungläubig an. »Was soll denn das heißen?«
»Das liegt doch auf der Hand. Was macht die Gattin des Friedberger Zahnarztes?«
»Soweit ich weiß, betreibt sie einen erfolgreichen Rollerverleih. Du kennst sie sicher: Wenn die von Greenpeace sich wieder irgendwo an einen Schornstein anketten, ist sie immer vorneweg. Die Blonde mit der Modelfigur.«
»Na also. Und was machen die Frauen der anderen?«
»Die von dem Anwalt aus Wiesbaden hat ein Buch geschrieben. Über ihre Schwester. Ihre Schwester hat ein Buch über sie geschrieben. Beides Bestseller. Beides verfilmt. Die Frau unseres Klassenclowns ist zu Fuß quer durch Australien gewandert und hat den Aborigines Software verkauft, dann war sie Vorstandsvorsitzende eines großen deutschen Energieunternehmens. Sie hat es in nur eineinhalb Jahren in einen Lebensmittelkonzern umgewandelt. Die Frau meines besten Klassenkameraden dirigiert einmal im Jahr die Bostoner Philharmoniker. Dazwischen läuft sie die großen Marathonläufe dieser Welt.«
»Nun ist mir alles klar«, sagte Pfeifenberger.
»Was ist dir klar, Pfeifenberger? Gar nichts ist dir klar. Du hast ja nicht einmal ein richtiges Abitur. Wie willst du die Schwierigkeiten ermessen, die ich mit diesem Klassentreffen habe?«
»Ich kann dir sagen, was sich auf eurem Klassentreffen abspielen wird: Der Friedberger Zahnarzt – wahrscheinlich ein ziemlich langweiliger Blödian …«
»Schon vor fünfundzwanzig Jahren. Er hat dem Klassenlehrer den Wagen gewaschen – gegen dessen Willen. Und das nannte er dann respektlosen Umgang mit den Autoritäten.«
»… der wird seine gut gebaute Gattin vorschieben, die erfolgreiche Greenpeace-Aktivistin. Der Klassenclown wird sich ganz auf seine Gattin, die Vorstandsvorsitzende, verlassen. Und dein Kamerad auf die Dirigentin. Sie werden ihre Frauen präsentieren und damit sagen: Seht, was für ein toller Hecht ich bin! Und du wirst dasitzen. Mit deiner Elke.«
Schmalenbach schüttelte erregt den Kopf. »Nein! Elke ist eine wunderbare Frau, sie kann mit diesen Zahnarzt- und Anwaltsgattinnen allemal mithalten.«
»Elke ist eine …«, begann Pfeifenberger vorsichtig.
»… eine originelle, intelligente, warmherzige, charmante …«
»… eine Sachbearbeiterin.«
»Eine sehr engagierte Sachbearbeiterin, die ihre Arbeit ungewöhnlich ernst nimmt. Sie ist vielseitig interessiert und kann über alles reden.«
»… vor allem über Nudelgerichte.«
»Von sozialen Themen bis hin zu Fragen des Lifestyles.«
»Sie werden hinter deinem Rücken über dich lachen«, sagte Pfeifenberger hart.
Schmalenbach schaute stumm in sein Glas. »Ich weiß«, flüsterte er nach einer Weile. »Warum ist dieser Friedberger Zahnarzt nicht in der zehnten oder elften Klasse sitzen geblieben? Manchmal denke ich, die Schöpfung ist zutiefst ungerecht.«
»Um das zu korrigieren, sind die Freunde da. Was hältst du davon: Du nimmst anstatt Elke eine andere mit. Eine, mit der man Staat machen kann.«
Schmalenbach fuhr hoch. »Was verlangst du von mir? Ich soll Elke verleugnen? Meine Elke? Niemals! Lieber gehe ich nackt da hin, mit Asche auf dem Haupt.«
»Wenn sie nichts davon erfährt, tut es ihr auch nicht weh«, setzte Pfeifenberger nach.
»Was ist das für eine Moralauffassung?«, empörte sich Schmalenbach. »Ich käme mir schäbig vor mit einer Fremden als Elke an meiner Seite. Schäbig!« Innerlich spuckte er aus.
Pfeifenberger schwieg eine Weile, dann sagte er ganz beiläufig: »Letztes Jahr auf meinem Klassentreffen.« Er grinste. »Du glaubst ja gar nicht, wie die Jungs mich beneidet haben. Wegen der Bodybuilderin aus Darmstadt.«
»Die Bodybuilderin aus Darmstadt?«
»Wer sonst? Kennst du einen besseren Ersatz? Den Angebern stand der Sabber in den Mundwinkeln«, flüsterte Pfeifenberger. Und dann sehr ernst: »Ich habe an
Weitere Kostenlose Bücher