Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen
dieses Licht in den Pyrenäen? Was ist das gegen diese Funzel, unter der wir hier im Winter vegetieren? Nirgendwo hatte ich mehr Ideen für Werbeslogans als in Andorra.«
Elke war eingeschlafen.
Viertel nach sieben. Er ging in die Küche. Er wollte stark sein: gegen den iberischen Schlendrian und die romanische Oberflächlichkeit. Aber war er im Grunde seines Magens nicht ein kommunikativer, ein lebensbejahender, ein epikureischer Mensch? Und war im Namen des kontinentalen Stils nicht genug Unheil in die Welt gekommen – politisch und gastronomisch?
Schmalenbach setzte Wasser für die Nudeln auf und rührte die Gorgonzolasoße an. Dazu nahm er einen Schluck Chianti. Im Radio lief die Piaf. Als die Soße köchelte, erschien Elke.
»Du kannst schon mal den Tisch decken, Signorina!«, beschied ihr Schmalenbach und entkorkte eine Flasche Pinot.
Es wurde ein netter Abend, mit Moustaki, Kerzen, Amaretto, Paolo Conte, Tiramisu, einem gesalzenen Streit über die vertanen Chancen der Volksfront und sogar etwas Sex. Das heißt, es wäre beinahe dazu gekommen, wenn Schmalenbach nicht eingenickt wäre.
Am nächsten Morgen hatte er zweieinhalb Kilo zugenommen. Für den folgenden Sonntag beschloss er, sich so viel Arbeit mit nach Hause zu nehmen, dass er keine Zeit finden würde für irgendeinen Lebensstil – weder für den mediterranen noch für den kontinentalen.
Kompromissloser Sex
Pfeifenberger wollte was. Das spürte Schmalenbach deutlich, dachte aber nicht im Traum daran, ihm auf die Sprünge zu helfen. Er tat so, als bemerkte er nicht, dass sein Freund um ihn herumscharwenzelte wie ein Schützenkönig um die Kirmesschönheit.
»Es ist doch ein Segen, Freunde zu haben«, tönte Pfeifenberger nach dem fünften Bier.
Schmalenbach sagte: »Ich weiß nicht genau, worauf du hinauswillst, Pfeifenberger.«
Pfeifenberger litt, das merkte sogar Germersheimer.
»Was ist bloß mit dir los?«, fragte er. »Bist du etwa schwer erkrankt? Oder hat Carola sich von dir getrennt?«
Pfeifenberger lief rot an vor Wut. »Kann man nicht einfach mal über die wichtigen Dinge des Lebens nachdenken, ohne dass gleich biografische Katastrophen dahinter stecken?«
Schmalenbach machte Anstalten zu gehen. Das war zwar gemein, aber Schmalenbach kannte seinen Freund: Heute war Pfeifenberger zahm und anhänglich wie eine Angorakatze. Morgen aber wollte Schmalenbach vielleicht etwas von ihm, und dann würde Pfeifenberger, das wusste jeder in Frankfurt, sich so launisch und unnahbar aufführen wie eine Hollywood-Diva. Deshalb ließ Schmalenbach seinen Freund Pfeifenberger zappeln.
»Wir könnten mal wieder eine Tour mit meiner Vespa machen, was meinst du?«, fragte Pfeifenberger, als Schmalenbach seine Zeche bezahlte.
»Nimm Germersheimer mit! Ich habe schon seit Tagen so ein seltsames Kratzen im Hals.«
»Oder wir fahren mit dem Wagen raus. Nur wir Männer. Mit ’ner Kiste Bier und eingelegten Halskoteletts. Mal nur wir selbst sein. Ohne Kindergeschrei und Frauengeschwätz.«
»Zuerst heißt es, wir gehen bloß grillen. Nachher werden Frauen belästigt und Rentner geärgert. Nein, ohne mich!«
»Dann vielleicht mal wieder ein Besuch im Kino oder im Theater? Ich sage immer, der Mensch wird erst durch die Kunst zum Menschen.«
»Und ich entsichere meinen Revolver, wenn ich Kultur höre.«
Elvira brachte noch eine Runde Bier. »Auf Pfeifenbergers Rechnung«, sagte sie.
Schmalenbach lehnte ab. »Ich trinke eigentlich nie mehr als das, was ich schon getrunken habe.«
Elvira fuhr ihn an: »Ich finde, es reicht jetzt! Das hat selbst Pfeifenberger nicht verdient.«
Alle Gespräche verstummten, die Gäste sahen her. Pfeifenberger erhob sich, er ging auf Elvira zu. »Bevor du Schmalenbach anschnauzt, denk daran, er ist mein Freund!«
Da war selbst Schmalenbach gerührt. Er legte seinen Arm um Pfeifenbergers Schulter. »Nun sag schon! Was willst du von mir?«
»Lass uns zusammen aufs Klo gehen!«, forderte Pfeifenberger den Freund auf.
Schmalenbach willigte ein, auch wenn er kein gutes Gefühl dabei hatte.
»Was ist jetzt?«, fragte er, als er mit Pfeifenberger allein war.
»Lass uns in eine Kabine gehen und abschließen! Hier haben die Wände Ohren.«
»Ich finde, du übertreibst, Pfeifenberger.« Dennoch ging Schmalenbach mit in eine Kabine.
»Carola ist im Internet«, gestand Pfeifenberger.
Schmalenbach verstand nicht. »Na und? Elke ist auch im Internet. Sie holt sich die neuesten Nudelrezepte aus aller Welt. Und trotzdem
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