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Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen

Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen

Titel: Die schlimmsten Dinge passieren immer am Morgen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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kleine Leute handelt, die geschädigt wurden. Es wird kolportiert, es seien auch Prominente unter den Anlegern.«
    »Und?«, fragte selbst der sonst eher stoische Germersheimer. »Kannst du Namen nennen?«
    »Kann ich. Aber ich will das Vertrauen, das einige Banker in mich setzen, nicht enttäuschen. Diese Dinge sind äußerst prekär. Der betreffende Prominente ist doch erledigt. Eine Schlagzeile in der Bild-Zeitung. Eine indiskrete Bemerkung in einer Talkshow – und die Ansagerin kann nicht einmal mehr bei Butterfahrten auftreten.«
    Nun war es raus. Die Stimmen überschlugen sich. Und Pfeifenberger wollte mal wieder nichts gesagt haben.
    Schmalenbach hatte ein anderes Problem: Er fragte sich, wie er es Elke beibringen sollte.
    Elke und Geldanlagen, das war nämlich ein besonderes Kapitel. Elke hatte – unter uns gesagt – nicht das Format für langfristige Strategien. Für Elke war sogar ein Sparbuch schon ein Vabanque-Spiel. In ihrer weitläufigen Familie hatte ein Onkel aus Koblenz mal für 500 DM Lose der Fernsehlotterie gekauft und nichts gewonnen. Dieser Verlust lastete seither auf der Sippe wie Inzucht.
    Aus diesen Gründen tätigte Schmalenbach seine bescheidenen Geldgeschäfte hinter Elkes Rücken. Die verlorenen Fondseinlagen aber würde er nicht vor ihr verheimlichen können, hatte er das nötige Kapital doch von ihrem gemeinsamen Sparbuch abgehoben. Natürlich – da war Schmalenbach Ehrenmann – hatte er nur seinen Anteil verschleudert. Dennoch würde Elke bemerken, dass ein beträchtlicher Teil des Geldes fehlte. Gut, die Sache wäre über kurz oder lang auch herausgekommen, wenn der Fonds sich wie im Prospekt garantiert entwickelt hätte. Aber dann hätte Schmalenbach Elkes kleinbürgerlichen Tiraden elegant mit aus dem Zinsertrag finanzierten Preziosen begegnen können. Nun würde ihm dieser großartige Nebeneffekt versagt bleiben.
    »Am besten ist, du besänftigst Elkes Wut, indem du ihr erzählst, dass die HR-Ansagerin mit von der Partie ist. Wie ich Elke kenne, wird deine Strafe dann etwas günstiger ausfallen«, riet Pfeifenberger in einem vertrauten Gespräch.
    Also begann Schmalenbach noch am gleichen Abend seine häusliche Schadensbegrenzung: »Manchen Leuten spielt das Schicksal aber auch brutal mit. Erst die Gesichtslähmung, dann die Trennung, und nun hat die Arme sich auf einen Fonds eingelassen. Ich weiß, du hältst nichts davon …«
    Elke schlug beide Hände entsetzt vors Gesicht. »Wahrscheinlich ihre letzten Reserven …«
    Na also! Elke zeigte Mitleid mit der Leidensgenossin. Das war schon die halbe Miete.
    »Gestern Abend noch hat sie das Hessenwetter angesagt«, seufzte sie. »Und sie machte so einen zuversichtlichen, lebensbejahenden Eindruck – trotz des Tiefdruckgebiets, das vom Golf von Biscaya zu uns herüberzieht. Wenn man ihr nur helfen könnte. Vielleicht gibt der HR ein Spendenkonto bekannt …«
    Rührend, wie Elke sich in ein fremdes Schicksal einfühlen konnte. Sie war den Tränen nahe. »Vielleicht sollten wir ihr einfach eine kleine Summe anonym zukommen lassen. Man ist ja doch Mensch«, überlegte sie.
    Nun war der Moment da, wo Schmalenbach die harten Fakten auf den Tisch legen musste. »Apropos: unser gemeinsames Sparbuch …«
    Elke fiel ihm ins Wort. »Das Sparbuch, das wollte ich dir sowieso sagen. Die Zeiten sind so unsicher. Ich hab’s in ein Bankschließfach getan. Zur Sicherheit …«
    Die Gute! Wenn sie wüsste, wo die eigentlichen Gefahren liegen, die so ein gemeines Sparbuch bedrohen, dachte Schmalenbach. Die schlimmsten Verbrechen geschehen innerhalb der Familien, sagte die Kriminalstatistik, das Unheil kommt selten von außen.
    »Der Schlüssel zum Schließfach ist verloren gegangen«, stieß Elke hervor.
    Schmalenbach brauchte eine Weile, bis er die Konsequenzen der neuen Lage überschauen konnte. Wenn sie nicht an das Sparbuch rankamen, sah Elke auch nicht, dass Geld fehlte. Dann musste er auch nicht jetzt schon gestehen, dass er in einen falschen Fonds investiert hatte. Also widmete Schmalenbach sich wieder seiner Lektüre.
    »Was die Ansagerin angeht …«, begann Elke wieder.
    »Ich konnte die Schnepfe noch nie leiden. Die spekuliert doch bloß auf eine Frührente.«
    »Bist du da nicht etwas hart, Schmalenbach? Wir Frauen sind nicht so vordergründig.«
    »Trotzdem, was macht die dumme Pute auch Geldgeschäfte, von denen sie nichts versteht? Geschieht ihr doch recht, dass sie auf die Nase fällt.«
    Jetzt wurde Elke richtig wütend.

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