Die Schlüssel zum Königreich 03 - Kalter Mittwoch.epub
konnte. Er hatte den Atlas in seiner Schlafanzugtasche, und das Medaillon des Kapitäns trug er an zahlreichen zusammengeknüpften Stücken Zahnseide um den Hals. Sein Morgenmantel lag auf dem Stuhl neben seinem Bett, zusammen mit den immateriellen Stiefeln, die sich als Hausschuhe getarnt hatten. Nur er konnte sagen, was es wirklich mit ihnen auf sich hatte, denn sie fühlten sich leicht elektrisch an, und es kribbelte in der Hand, wenn er sie aufhob.
Das Klopfen ertönte erneut. Arthur gab keine Antwort. Er wusste, dass Bringer – die Wesen, die ihn am Montag verfolgt hatten – eine Schwelle nicht ohne Erlaubnis überschreiten konnten. Also würde er kein Wort sagen – nur für den Fall.
Er saß still da und behielt die Tür im Auge. Langsam öffnete sie sich einen Spalt weit. Arthur langte auf den Beistelltisch seines Bettes und ergriff ein Papiertütchen mit Salz, das er vom Mittagessen aufgehoben hatte, bereit, es aufzureißen und zu werfen, falls sich ein Bringer zeigen sollte.
Aber es war keine melonentragende Kreatur mit Hundsgesicht. Es war Blatt, seine Freundin aus der Schule, die ihm am Vortag geholfen hatte, sich vor dem Nihilmorph zu retten, und dabei selbst verletzt worden war.
»Arthur?«
»Blatt! Komm rein!«
Blatt schloss die Tür hinter sich. Sie trug ihre normale Kleidung: Stiefel, Jeans und ein T-Shirt mit einem obskuren Bandlogo. Aber ihr rechter Arm steckte vom Ellbogen bis zum Handgelenk in einem weißen Verband.
»Wie geht’s deinem Arm?«
»Tut weh. Aber nicht zu schlimm. Der Doktor konnte sich nicht erklären, was die Schnittwunden verursacht hat. Ich habe ihm erzählt, dass ich nicht gesehen habe, womit der Typ mich geschlagen hat.«
»Ich nehme an, er würde die wahre Geschichte auch nicht glauben«, antwortete Arthur und dachte an den gestaltwechselnden Nihilmorph mit den langen, rasiermesserscharfen Tentakelarmen.
»Was ist denn die wahre Geschichte?«, fragte Blatt. Sie setzte sich auf den Besucherstuhl und sah Arthur aufmerksam an, was ihn verlegen machte. »Ich meine, alles, was ich weiß, ist, dass du am Montag in irgendeine merkwürdige Sache mit hundegesichtigen Kerlen verwickelt warst, und dass es später noch merkwürdiger geworden ist, als du plötzlich in meinem Wohnzimmer aufgetaucht bist mit einer Art historischer Mädchengestalt, die … Flügel hatte. Ihr seid die Schlafzimmertreppe hochgehastet und verschwunden. Und gestern bist du in meinen Vorgarten gerannt gekommen und von einem Monster verfolgt worden, das mich um ein Haar getötet hätte, nur dass es dann selbst … vernichtet worden ist von einer der alten Silbermedaillen meines Papas. Dann musstest du wieder loslaufen. Und heute höre ich, dass du mit einem gebrochenen Bein in der Station nebenan liegst. Was geht hier vor?«
Arthur öffnete den Mund und zögerte dann. Es wäre eine große Erleichterung, Blatt alles zu erzählen. Immerhin konnte sie die Bürger des Hauses sehen und sonst niemand. Vielleicht lag das daran, wie sie behauptete, dass ihre Ururgroßmutter das zweite Gesicht gehabt hatte. Aber wenn Blatt erst einmal alles wusste, konnte sie umso mehr in Gefahr geraten.
»Na komm schon, Arthur! Ich muss es wissen«, drängte Blatt. »Wenn nun eins dieser Nihilmorph-Dinger zurückkommt, um mich fertigzumachen? Oder eins dieser Hundegesichter. Ich habe ein paar von Papas Medaillen für die Nihilmorphe, aber was mache ich mit den Hundegesichtern?«
»Bringer«, sagte Arthur langsam. Er hielt das Papiertütchen hoch. »Die Hundegesichter werden Bringer genannt. Wirf Salz auf sie.«
»Das ist doch mal ein Anfang!«, meinte Blatt. »Bringer. Woher kommen sie? Was wollen sie?«
»Sie sind Diener«, erklärte Arthur. Er begann, immer schneller zu reden. Es war eine solche Erleichterung, jemandem erzählen zu können, was passiert war. »Wurden eigens dazu aus Nichts erschaffen. Die, die du gesehen hast, standen in Diensten von Herrn Montag. Er ist … war einer der sieben Treuhänder des Hauses –«
»Moment mal!«, unterbrach ihn Blatt. »Schön langsam und von vorn!«
Arthur holte tief Luft, so tief, wie es seine Lunge zuließ, und erzählte von Anfang an. Er begann bei seiner Begegnung mit Herrn Montag und Nieser, berichtete, wie Montags Mittag ihn mit seinem flammenden Schwert durch die Schulbücherei verfolgt hatte, schilderte ihr, wie er zum ersten Mal das Haus betreten und wie er Susi Türkisblau und den Ersten Teil des Vermächtnisses getroffen hatte, und auf welche Weise sie gemeinsam
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