Die Schluesseltraegerin - Roman
Pferdes aufgespießt hatte.
Ein böser Bildzauber war das!
Diese ganze Geschichte war doch mysteriöser, unwirtlicher, grausiger, als Inga es sich noch vor wenigen Augenblicken hatte ausmalen wollen. Sämtliche vernünftigen, aber dennoch wirren Überlegungen und Mutmaßungen verschwanden plötzlich aus Ingas Kopf, und sie hatte nur noch einen einzigen Gedanken: Weg! Fort von hier! Fort von diesem verfluchten Ort, fort von dieser Geschichte, die sie nichts anging und mit der sie nichts zu tun haben wollte. Wegrennen. Ja, so weit wie möglich wegrennen.
Wie ein Reh, das beim Weiden vom Knacken im nahen Geäst aufgescheucht wird und im Nu auf und davon springt, so hastete auch Inga von dannen. Und mit dem hölzernen Bildnis des Hilger, welches ihr streng und herrisch hinterherblickte, ließ sie auch ihren Mut und die Entschlossenheit zurück, alles Geschehene ans Tageslicht zu bringen.
Lasst mich doch alle in Frieden! Das war ihr einziger Gedanke, als sie, allein von einer schrecklichen Vorstellung verfolgt, in Richtung Tal floh.
»Inga, Tochter des Meinrad und Witwe des Rothger.«
Es war niemand anders als Liudolf, der sich Inga in den Weg stellte, kurz nachdem sie den Pfad durch das Bergtal erreicht hatte, welcher sie an der Schmiede vorbei zurück zur Kapelle
führen sollte. Sie hatte ihn nicht gesehen, verborgen musste er sich gehalten haben. Es dämmerte bereits, und hier unten am Bach gab es zahlreiche dicke Kastanien, hinter denen sich auch ein breiter, riesenhafter Mann wie das Sippenoberhaupt aus der Siedlung unsichtbar machen konnte.
»Lass mich vorbei, Liudolf, ich habe nichts Unrechtes getan. Lass mich zurück zur Kirche gehen.« Ingas Stimme klang flehentlich.
»Du hast nichts getan? Dass ich nicht lache. Allein mir hast du genügend angetan, dass ich dir hier auf der Stelle den Hals umdrehen könnte. Denk an meine Frau, sie ist tot. Du hast sie gebrannt mit deinem Schlüssel. Du.«
Inga schaute sich um. War er allein? Es hatte ganz den Anschein. Fast wäre es ihr lieber gewesen, er hätte Begleiter bei sich, denn sein Blick behagte ihr ganz und gar nicht.
War er betrunken? Wo war sein Pferd? Was hatte er zu dieser Tageszeit am Bach zu tun?
»Was starrst du in der Gegend herum? Glaubst du, dein Helfer wird kommen und dich retten?«
»Mein Helfer?«
»Der Dämon, den du behext hast oder der dich verzaubert hat. Wie immer es auch sei: Du wirst mit mir kommen, und wir werden dich deiner gerechten Strafe zuführen.«
Er hatte noch nicht zu Ende gesprochen, da hatte er sie auch schon am Arm gepackt. Inga wehrte sich, doch sein Griff war fest. Sie versuchte ihn zu treten und zu beißen, als er sie hinter sich den Bach entlangzerrte, doch sie kam nicht gegen ihn an. Sie erreichte mit ihren vergeblichen Bemühungen nur, dass er ungeduldiger und wütender wurde. Schließlich packte er sie von vorn an den Schultern und stieß sie mit aller Kraft an einen Baum. Ihr Kopf krachte mit einer solchen Wucht gegen das Holz, dass sie für kurze Zeit die Besinnung verlor.
Als sie wieder zu sich kam, hing sie über seiner Schulter, ihr Kopf baumelte dröhnend und schmerzend an seinem Rücken. Sie hatten die Siedlung noch nicht erreicht.
»Lass mich gehen, Liudolf. Bitte, lass mich gehen. Ich habe nichts getan.«
»Halt’s Maul, sonst stopfe ich es dir für immer.«
»Dann lass mich wenigstens allein laufen. Du musst mich nicht tragen.«
»So ist es besser, da kannst du mir wenigstens nicht die Augen auskratzen, du böse Zaunreiterin.«
»Ich bin doch viel zu schwer«, versuchte sie das Gespräch aufrechtzuerhalten. Sie hatte das Gefühl, dass ihr das nützen könnte.
»Da habe ich schon andere Lasten getragen, das kannst du mir glauben. Du wiegst nicht einmal so viel wie ein Sack Getreide …«
Und dann war sie auch schon da, seine Hand, und knetete äußerst unsanft ihr Hinterteil. Er sagte nichts mehr, aber sein Atem ging vernehmlich schwerer, und das lag nicht an dem Gewicht, das er trug.
»Du hast mehr Freude mit mir, wenn du mich herunterlässt«, flüsterte Inga, konnte aber den Ekel, den sie empfand, nicht aus ihrer Stimme verbannen. Er jedoch schien das nicht zu bemerken. Wie ein wild gewordener Stier warf er sie auf den schneebedeckten Uferboden des Baches, und sich warf er sogleich obenauf. Inga spürte nun seine beiden, großen Hände an ihren Brüsten, wieder unsanft knetend, seinen Mund presste er auf den ihren, und schon bemerkte sie seine dicke, schleimige Zunge zwischen ihren
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