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Die Schluesseltraegerin - Roman

Die Schluesseltraegerin - Roman

Titel: Die Schluesseltraegerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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nach all den Jahren in mein Herz geschlossen und ihm einen ganzen Krug wohl durchgorenen Brennnesselweines mitgebracht.«
    »Gut geht es ihm. Schau nur nach. Der greise Bock wird uns noch alle überleben.«
    Gisela marschierte weiter in Richtung des Ziegenstalles, während Inga auf den Haupteingang des so vertrauten Langhauses zusteuerte. Doch sie betrat das Haus nicht. Denn dort, hinter dem Misthaufen auf der Nordseite des Gebäudes, hatte sie die Person entdeckt, deretwegen sie tatsächlich den weiten Weg hierher auf sich genommen hatte: Ada.
    Sie war gerade dabei, einen Eimer mit Schmutzwasser zu leeren, als Inga sie ansprach.

    »Wollen wir miteinander sprechen, Ada?«
    Ada sah die Schwägerin erstaunt an. Sie war blasser noch als Gisela, zudem entsetzlich mager. Ihre dunklen Haare hingen in fettigen Strähnen ungekämmt auf ihren schmalen, knochigen Schultern. Inga fühlte Mitleid in sich aufkommen. Ja, die Frau tat ihr leid – sie tat ihr leid, obwohl Inga sicher war, nun alles über Ada, Tochter des Hatho, zu wissen.
    »Worüber willst du sprechen, Inga?«
    Inga griff in den ledernen Beutel, den sie sich umgehängt hatte, und holte die mächtigen Schlüssel hervor. Sie hielt sie in die Luft und schwenkte sie ein wenig hin und her, sodass sie ein klirrendes Geräusch machten. Ada war starr vor Schreck.
    »Wo hast du die gefunden?«
    »Da, wo du sie verloren hast. Vor der Höhle der Wanda. Die Höhle, in der dein Vater bis zu seinem Tode hauste.«
    Adas Gesichtsausdruck veränderte sich schlagartig. Kein Schreck, keine Furcht war mehr in ihren Zügen zu erkennen. Plötzlich war sie so kühl und überlegen, wie Inga sie stets gekannt hatte.
    »Du weißt also Bescheid.«
    »So ist es.«
    »Und was wirst du nun mit deinem Wissen anstellen?«
    »Darüber will ich mit dir reden.«
    Ada blickte sich verstohlen um.
    »Zur achten Stunde in der alten Schmiede.«
    »Zur achten Stunde in der alten Schmiede«, wiederholte Inga, dann ging sie zurück zur Türe des Langhauses, um dem alten Ulrich einen Besuch abzustatten.
     
    Die Schmiede existierte nahezu nicht mehr. Das Dach war bereits vollkommen eingestürzt, die Wände teilweise verbrannt, und der Boden war zu einem Paradies aus Unkräutern verschiedenster
Art geworden. Dennoch konnte Inga Reste ihrer alten Einrichtung wiederfinden: ihre Holzbank, ihren Tisch; ja, selbst ihr Lager war noch da. Alles jedoch in einem erbärmlichen und wenig einladenden Zustand.
    Sie setzte sich auf die Holzbank und wartete.
    Es war ein schöner Tag. Ein warmer, trockener Frühlingstag. Inga schloss die Augen und begann zu träumen. Sie würde nach ihrer Zusammenkunft mit Ada ohnehin auf den heiligen Berg gehen, um Agius aufzusuchen. Es war demnach kein Umweg, sondern sogar die kürzeste Strecke, wenn sie an der Kapelle vorbei nach Huxori zurückwanderte. Dann würde sie ihn sehen. Einen Vorwand dazu gab es. Er war verletzt und lag gewiss noch darnieder. Der Weiße musste ihm gehörig eines über den Schädel gegeben haben. Das war Grund genug für Inga, bei ihm vorbeizuschauen und ihm kühlende Umschläge zu machen. Vielleicht würde Melchior die beiden für einen Moment alleine lassen. Ein kleiner Moment würde genügen …
    »Da bin ich.« Inga hatte gar nicht bemerkt, dass Ada sich bereits genähert hatte. Schnell verdrängte sie ihre Tagträume und griff wieder in ihren Beutel.
    »Hier sind deine Schlüssel. Setz dich doch zu mir.«
    Beide saßen sie nun nebeneinander auf der Holzbank und schwiegen eine Weile. Es war eine eigentümliche Stille. Eigentümlich, aber nicht unangenehm.
    »Warum hat dein Vater das getan?«, fragte Inga schließlich.
    Ada schien nicht überrascht. Sie wirkte, als habe sie diese Frage erwartet, und antwortete ruhig:
    »Niemand weiß von der wahren Geschichte meiner Familie.«
    »Erzähl sie mir, Ada.«
    Die Frauen schauten sich nicht an, beide blickten sie nach vorn, die Augen fix auf ein Loch in der Hauswand gerichtet,
durch welches man einen Kastanienbaum erkennen konnte, der in voller Blüte stand.
    »Meine Eltern waren gute Leute. Fleißig und ehrbar. Mein Vater arbeitete hart. Er war ein tüchtiger Schmied und machte der Tradition seiner Vorväter alle Ehre. Dann aber unterstellte man ihm diese schreckliche Tat. Ihm und meinen Brüdern.«
    »Du meinst die schmähliche Grabschändung der Billinge?«
    »So ist es. Warum sollte er so etwas getan haben? Nie konnte man auch nur eine der Kostbarkeiten der toten Edlen bei ihm finden. Niemand hatte ihn je in

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