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Die Schluesseltraegerin - Roman

Die Schluesseltraegerin - Roman

Titel: Die Schluesseltraegerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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musste tatsächlich getragen werden.
    Es war bereits dunkel, und Bero wusste, dass er nicht vor dem nächsten Morgen zurückkehren konnte, um den wahren Mörder der Hilgermänner abzuholen. Er würde zwei Knechte benötigen, die ihm halfen, denn der Alte war zwar dünn, aber dennoch riesengroß und dazu breit gebaut. Erst am morgigen Tag also würde er seinen Triumph im Tal feiern können. Erst am morgigen Tag würden endlich alle glauben müssen, dass seine Familie nicht nur unschuldig, sondern auch äußerst ehrenhaft war.
    Aber eines fragte sich Bero noch immer: Wer war dieser Weiße? Und warum hatte er gegen die Hilgerschen größere Rachegelüste verspürt, als sie selbst in der Sippe des Bero jemals aufgekommen waren?
    Ganz gleich, was den Alten getrieben hatte: Er musste ihm
dankbar sein. Denn dieser Alte hatte unwissentlich auch in Beros Namen gehandelt und mit seinen Taten den Weg dazu geebnet, dass auch Bero, Sohn des freien Meinrad, bald der mächtigste und reichste Friling des gesamten Augaus werden würde. Jetzt konnte er die reiche Gisela heiraten, denn niemand würde einem Helden wie ihm die Hand einer Jungfrau abschlagen. Auch nicht der Griesgram Ulrich, und erst recht nicht dann, wenn er erfahren hätte, dass die gute Gisela längst keine Jungfrau mehr war.
    Es galt auch Inga zu informieren. Sie würde sich um Ansgar kümmern müssen. Wie auch immer sie es anstellte – er durfte nie wieder auf dem Hofe auftauchen, man musste ihn für tot halten. Am sichersten wäre es, wenn die Schwester den Verwirrten tatsächlich verschwinden ließ. Dann, das würde er ihr versprechen, dürfe sie zurückkehren auf den Hof der Eltern oder aber, wenn es ihr dort besser gefiel, auch auf den Hof der Hilgerschen.
    Bero war zufrieden mit sich. Denn niemand konnte ihm nun noch die Suppe versalzen, niemand, nicht einmal diese landgierigen Mönche hier. Denen hatte er das Leben gerettet, und es würde ihnen und den Lehren von Milde, Güte und Dankbarkeit, die sie verbreiteten, zuwiderlaufen, wenn sie ihm nun bei seinen Plänen in die Quere kämen.
    Morgen, ja, morgen würde er triumphieren. Jetzt jedoch galt es, den Angeschlagenen erst einmal bei der krummen Gunda unterzubringen.
     
    Was war da geschehen?
    Bero traute seinen Augen kaum, und auch die Knechte, die ihn am folgenden Tag auf den Eschenberg begleitet hatten, um den Toten zu bergen, waren entsetzt.
    »Waren das wilde Tiere?«, fragte Bero erschüttert.

    »Wohl kaum«, antwortete Ivo, der alte Knecht vom Meinradhof. »Das sieht nicht aus, als wäre daran herumgefressen worden. Er ist sauber abgetrennt.«
    »Warum nur? Und wer war das?« Bero konnte es sich nicht erklären.
    Den kopflosen Leichnam aufmerksam betrachtend, schritt er mehrere Male um ihn herum.
    »Seht nur, man hat versucht, ihn fortzuschleifen. Dort lag er nicht am gestrigen Tage, sondern etwa zehn Schritte weiter oben. Es scheint nicht gelungen zu sein, er war zu schwer, und dann hat man seinen Kopf abgeschnitten und mitgenommen.«
    »Weshalb?«, fragte der junge Knecht, ein Knabe von nicht einmal sechzehn Jahren, der vor Ekel ganz grün im Gesicht war.
    »Man soll ihn nicht erkennen. Das ist es«, flüsterte Bero. »Wer mag er nur sein? Und wer, in Wodans Namen, hat ihn so zugerichtet? Da muss sich noch irgendwo ein Dämon herumtreiben. Wie auch immer, wir bringen ihn jetzt ins Tal und legen ihn auf den Hof des Liudolf. Alle sollen herbeiströmen, auch die Hilgerschen, und sehen, dass ich ihn überwältigt habe, ihn, der ihre Söhne getötet hat. Auch wenn nicht mehr viel von ihm zu erkennen ist. Welch eine Schande …«

XXXVII
    A nsgar hatte zwei Tage lang geschlafen. Inga befürchtete bereits, dass sie die Tropfen zu stark dosiert hatte, welche ihn in diesen seligen Zustand harmloser Ruhe versetzt hatten. Doch nun war er wieder erwacht und schlürfte eine dünne Haferschleimsuppe.
    »Warum bin ich hier?«, fragte er schließlich, und seine Stimme klang wie immer – ganz so wie die des alten Ansgar, der, den Inga noch gut in Erinnerung hatte.
    »Du bist bei mir. Bei Inga. Auf dem Hilgerhof ging es dir nicht gut.«
    »Ich muss zurück.«
    »Warum?«
    »Ich muss ihn umbringen.«
    »Wen? Doch nicht etwa meinen Bruder Bero?«
    »Hatho. Ich muss ihn finden.«
    »Hatho?«
    »Ahhhh!« Wieder griff sich Ansgar an den Kopf. Wie ein Wilder begann er gegen den eigenen Schädel zu schlagen. Mit beiden Fäusten hämmerte er sich immer und immer wieder gegen die Schläfen. Inga versuchte ihn davon

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