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Die Schluesseltraegerin - Roman

Die Schluesseltraegerin - Roman

Titel: Die Schluesseltraegerin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Neumann
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weiten Weg hierher. Was willst du von Bruder Melchior?«
    Mittlerweile standen sie beide draußen vor der Tür, die Sonne warf ihr warmes Licht durch die sprießenden Knospen der Bäume auf das viel zu schöne Gesicht des Mönches Agius.
    »Um einen Rat bitten wollte ich ihn.«
    »Nun, gestern war der Prior mit einigen Mitbrüdern hier. Melchior ist zusammen mit ihnen zum Kloster gegangen. Er hat dort einiges zu besorgen. Ich erwarte ihn erst am Abend zurück. Aber vielleicht kann ich dir behilflich sein, gute Frau.«
    Er gab sich Mühe, freundlich zu sein, aber an seinen Augen erkannte Inga, dass ihm die Situation ganz und gar nicht gefiel.
    »Wie soll ich es sagen?«, stammelte Inga. »Ich wollte den Mönch Melchior bitten, mir die Beichte abzunehmen.«
    Agius nickte stumm und sagte: »Bruder Melchior – das muss ich neidlos anerkennen – versteht es besser als ich, die Herzen
der Menschen zu gewinnen. Dennoch ist leider nur meine Wenigkeit befugt, die Beichte abzunehmen, denn Bruder Melchior hat keine Priesterweihe empfangen. Würdest du also auch mit mir als Beichtvater vorliebnehmen?«
    Bei diesen Worten wurde er plötzlich rot, und Inga schaute rasch zu Boden, damit er nicht sah, dass sie seine Verlegenheit bemerkt hatte. Eine Zeitlang herrschte eine unangenehme Stille zwischen den beiden, die nur durch das Zwitschern der Vögel, das Rauschen der blühenden Bäume und das laute, unangenehme Pochen in Ingas Ohren unterbrochen wurde.
    »Komm, wir gehen in die Kirche. Sie ist noch nicht geweiht, aber dennoch glaube ich, dass Gott hier bereits seinen Platz gefunden hat.« Agius schritt vor, und Inga folgte ihm zögerlich.
    Sie ließen sich auf einer der beiden Bänke nieder, die seitlich des Altars standen, und wieder herrschte betretene Stille.
    »Sprich einfach. Ich höre dir zu«, sagte er schließlich, ohne sie dabei anzuschauen.
    »Es geht um den Tod meines Mannes«, begann Inga vorsichtig. »Und um den Tod von Uta, seiner Nebenfrau.«
    »Was hast du damit zu tun?«, fragte Agius streng, seinen rechten Ellbogen auf den Oberschenkel stützend und die zu Inga gerichtete Gesichtshälfte mit der Hand verbergend.
    »Ich habe nichts damit zu tun, aber dennoch bedrückt es mich sehr. Es ist nämlich so: Ich glaube, ich habe mir ihren Tod gewünscht.«
    »Und nun, da er eingetreten ist, meinst du, dein Wunsch sei in Erfüllung gegangen. Wer bist du, dass du glaubst, Gott sei dein Sklave und erhöre deine boshaften Gedanken?«
    Inga wurde es sehr unwohl in ihrer Haut.
    »Vielleicht weiß Gott gar nichts davon. Vielleicht waren es böse Dämonen oder der Teufel«, korrigierte sie sich, »die meine Gedanken erhört haben. Aber ich wollte es nicht.«

    »Hast du denn etwas dafür getan?«
    »Das, was ich getan habe, ist in euren Augen eine große Sünde, denke ich. Ich wage es gar nicht zu sagen.«
    »Du beichtest, mein Kind. Ganz gleich, wie groß deine Sünde sein mag, ich werde dich dafür nicht bestrafen und auch nicht veranlassen, dass andere es tun. Allein Gott ist dein Richter.«
    »Den Tod habe ich ihnen nicht gewünscht, aber ich habe einen Schadenszauber gewirkt. Keinen großen.«
    »Eines eurer unsäglichen, lächerlichen Rituale? Ein Maleficium? Wie sah es aus?«
    Inga errötete.
    »Es ist ein umgekehrter Liebeszauber. Ich habe meinem Mann ein Brot gebacken, das ihm die Manneskraft rauben sollte.«
    Agius nahm die Hand von seinem Gesicht und schaute Inga mit zusammengezogenen Brauen von der Seite an, diese senkte den Blick, fast musste sie ein wenig lachen.
    »Wie backt man ein Brot, das so etwas bewirken soll?«, fragte er schließlich.
    Inga blickte ihn erstaunt an. Das wollte er wissen? Sie konnte doch unmöglich einem Mann, der geschworen hatte, der fleischlichen Lust auf ewig zu entsagen, erzählen, wie man ein solches Brot buk.
    »Das kann ich nicht sagen.«
    »Du hast es getan, also kannst du auch davon berichten.«
    »Es ist nicht sehr sittsam.«
    »Wir Geistliche hören in der Beichte viele Dinge, die nicht sittsam sind. Also erzähle, denn nur so kann ich die Größe deiner Schuld ermessen.«
    »Um ein solches Brot zu backen, muss man sich zunächst entkleiden«, begann sie, entschlossen, ihm alles zu sagen, was
er hören wollte. »Völlig entkleiden.« Vorsichtig schielte sie zur Seite, um zu sehen, wie er reagierte. Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Also fuhr Inga fort: »Dann reibt man den nackten Körper mit Honig ein. Vollkommen. Überall.« Inga musste wieder ein wenig lachen. Er

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