Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Schmerzmacherin.

Die Schmerzmacherin.

Titel: Die Schmerzmacherin. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Streeruwitz
Vom Netzwerk:
sich Gertrud mit Gregory und schickte ihr das. Da schau. So ein Versager bist du.
    Sie schaltete das iPad aus. Saß da. Zippte das Ding wieder weg. Stopfte es in die Tasche. Der Tee war kalt. Sie aß einen Muffin. Trank Tee. Das gute Gefühl war weg. Alles war wieder kompliziert. Und die mail an die Tante Trude. Das hatte die Gertrud verhindert. Sie konnte jetzt keine mail an die Tante Trude schreiben.

Juli.
    Gregory war schon da. Der maitre d’ ging ihr voraus. Gregory saß in der Ecke. Weit hinten. Rechts. Die Sitzbänke runde Nischen. Gregory saß in der letzten Nische. In der Mitte der Sitzbank.
    Sie bekam den Sessel ihm gegenüber. Der maitre d’ hielt ihr den Sessel vom Tisch weg. Schob ihr den Sessel dann unter. Er griff von links auf den Platzteller. Nahm die kunstvoll gefaltete Serviette. Schlug sie aus und legte sie ihr auf den Schoß. Er hielt die Serviette zwischen Daumen und Zeigefinger. Links. Mit der Rechten. Von rechts legte er ihr die Speisekarte auf den Platzteller. Gregory schaute diesem Mann hinter ihr zu. Der ging weg. Gregory lehnte sich vor. Sie drehte sich weg. Sie drehte sich aus seinem Blick weg und schaute zu der Uhr an der Wand hinter sich zurück. Eine schwarze Art-déco-Uhr auf einer Steinkonsole vor einer Spiegelwand. Die Wand hinauf Bänder von Glitzersteinen. Die Glitzersteine waren aufgeklebt. Billig. Es war kein Versuch unternommen worden, die Glitzersteine in die Spiegelwand einzulassen. Sie als Nägel erscheinen zu lassen. Wenigstens. Swarovski, dachte sie. Sie wäre nur 12 Minuten zu spät, sagte sie. Für London. Für London sei das eine Leistung.
    Sie schaute Gregory herausfordernd an. Er seufzte. Ja, wahrscheinlich war das so. Für ihn reiche das nicht. »Not in my book.« sagte er. Mit den englischen Zügen und deren Unpünktlichkeit könne niemand einen Termin einhalten. Da brauche man einen Chauffeur. Sie beugte sich über den Tisch. Wie solle man das hier machen. Sie wiederholte es. Die englischen Züge. Es sei unmöglich. Er winkte ab. Ja. Ja. Er habe begriffen. Aber gäbe sie nicht immer den Umständen Schuld. Ginge es nicht darum, trotz der englischen Züge pünktlich zu sein. Wäre nicht das die Leistung.
    Der chef de rang kam an den Tisch. Ob man gewählt hätte. Gregory bejahte. »King crab and prawn cocktails and charcoal grilled chateaubriand with pommes soufflées for us both.« Die Nachspeise. Das würden sie dann später entscheiden. Und dann nähme er eine Flasche Vouvray. Der sommelier würde schon wissen, was da gut sei. Er wolle keinen Rotwein am Mittag. Der Oberkellner hörte sich die Bestellung an. Er stand ein wenig vorgebeugt. Zu Gregory gewandt. Er hatte die Hände auf dem Rücken ineinandergelegt. Er verbeugte sich kurz und ging. Sie rief ihm nach, dass sie Mineralwasser wolle. Ja. Sparkling. Der Mann nickte ihr zu und ging davon.
    Gregory schaute sie finster an. Das hätte sie ihm sagen sollen. Sie müsse ihm sagen, dass sie ein Mineralwasser haben wolle, und er gäbe das weiter. »Wie beim Militär.« fragte sie. Das hier. Das wäre eine kulturelle Erfahrung, erwiderte Gregroy. Ob sie denn überhaupt wisse, wo sie sich hier befände. Die kleine Amy aus Wien säße hier, wo nur die wichtigsten Personen der Weltgeschichte gesessen hätten. Young Amy und die Wichtigsten. Die Sieger und nicht die Bekanntesten. Wichtigkeit. Das wäre das Geheimnis des Siegens. Ihre Abstammung. Ihre Familie. Das reiche da nicht aus.
    »Boing!«, wollte sie sagen. Gepunktet. Gregory ging es nicht subtil an. Aber man könne es doch kaufen, lächelte sie ihm zu. Sie betrachtete ihn. Gregory sah genauso aus, wie der Innendekorateur sich den idealen Gast vorgestellt haben musste. So wie Gregory musste der ideale Gast aussehen. Der erfolgreiche Mann in den besten Jahren. Nicht richtig dick, aber ein wenig schwerer. Eine reichere Silhouette konnte man das nennen. So würde das gesagt werden müssen. Gregory hatte eine reichere Silhouette. Aber er war schon richtig so. Man konnte sich ihn nicht anders vorstellen. Gregory war perfekt angezogen. Unauffällig, aber atemberaubend richtig. Die elfenbeinweiße Hose. Das schwarze Sakko. Das Material des Sakkos schimmerte vor Leichtigkeit und Kühle. Das dunkellila-elfenbeinweiß gestreifte Hemd. Das hellgrün-gelbgepunktete Seidentuch in der Brusttasche. Sie lehnte sich zurück, um unter den Tisch sehen zu können. Die Schuhe. Schwarze Maßschuhe und grau-fliederfarbene Seidensocken. Keine Krawatte. Gregory war also in

Weitere Kostenlose Bücher