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Die Schnapsstadt

Die Schnapsstadt

Titel: Die Schnapsstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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hässlich genug, warum sollte ich die Augen rollen?
    Sie haben Ihre stärksten Beschimpfungen für die «Schweinehunde» reserviert, die versuchen, «die literarische Szene zu monopolisieren». Damit bin ich vollkommen einverstanden. Wenn es da draußen irgendwelche Schweinehunde gibt, die versuchen, die literarische Szene zu monopolisieren, bin ich gerne bereit, sie gemeinsam mit Ihnen zu beschimpfen und zu verfluchen.
    Meine Zeit als Ausbilder an der Offiziersschule in Baoding liegt mehr als ein Jahrzehnt zurück, und ich habe ein paar hundert Hörer gehabt. Ich glaube mich an zwei Studentinnen namens Liu Yan zu erinnern. Die eine hatte eine helle Haut und machte ständig einen wütenden Eindruck. Die andere war dunkelhäutig, kurz gewachsen und fett. Welche davon ist Ihre Arbeitskollegin?
    Was meine angeblich harten Worte über Wang Meng angeht, muss ich gestehen, dass ich mich nicht daran erinnern kann. Aber ich glaube, ich habe den Aufsatz gelesen, in dem er junge Autoren aufforderte, ein wenig selbstkritischer zu sein, sich sozusagen über ihre Stelle im literarischen Leben klar zu werden. Möglicherweise habe ich das als einen Angriff auf mich empfunden und war irritiert. Aber es ist sehr unwahrscheinlich, dass ich in einer Vorlesung über Kommunismus einen Angriff auf Wang Meng gestartet hätte.
    Wenn Sie die Wahrheit wissen wollen: Ich habe dem Bettelstab nie Adieu gesagt, und sollte ich ihn eines Tages zur Seite legen, würde ich ihn doch gewiss nicht als Waffe gegen andere Bettler verwenden. Natürlich gibt es auch dafür keine Garantien, denn die Menschen können den Wandel nicht bestimmen, dem sie im Laufe ihres Lebens unterworfen sind.
    Nun zu Ihrer Erzählung:
    1. Sie bezeichnen Ihren Stil als «grausamen Realismus». Können Sie mir erklären, was das ist? Ich bin mir da nicht sicher, obwohl ich etwas ahne. Der Inhalt der Erzählung lässt mich schaudern, und ich kann nur sagen, ich bin froh, dass es sich nur um einen fiktionalen Text handelt. Wenn Sie eine Reportage mit demselben Inhalt geschrieben hätten, gäbe es großen Ärger.
    2. Was die Möglichkeiten der Veröffentlichung angeht, gibt es normalerweise zweierlei Kriterien: ideologische und künstlerische. Ich habe beide noch nie verstanden. Und das meine ich so. Ich bin nicht dabei, mich vor etwas zu drücken. Glücklicherweise verfügt die Volksliteratur über ein ausgezeichnetes Herausgeberkollegium, also sollten wir ihm die Entscheidung überlassen.
    Ich habe Ihre Erzählung bereits an die Redaktion der Volksliteratur geschickt. Wenn es aber um eine Einladung zum Essen oder das Verteilen von Geschenken geht, fürchte ich, dass ich einfach zu wenig davon verstehe, um auch nur den Versuch zu machen. Ob so etwas bei etablierten Verlagen funktioniert oder nicht, müssen Sie schon selbst herausfinden.
     
    Ich wünsche Ihnen Gesundheit und Glück.
    Mo Yan

IV
     
    Fleischkind
     
    Eine dunkle Herbstnacht. Im Westen hängt der Mond, nur halb zu sehen, dicht über dem Horizont; die Ränder sind verschmiert wie bei einem halb geschmolzenen Eiswürfel. Kalte Lichtstrahlen tanzen über dem schlafenden Dorf. Schnapsduft. Hahnenschrei in einem Hühnerstall, gedämpft wie aus einem tiefen Keller.
    Der leise Ruf riss Jin Yuanbaos Frau aus dem Schlaf. Sie schlug eine Decke um die Schulter und richtete sich auf. Sie fühlte sich verloren in dem Nebel, der sie umgab. Blasse Mondstrahlen fielen durch das Fenster und zeichneten weiße Muster auf die schwarze Decke. Rechts von ihr sahen die Füße ihres Mannes unter der Bettdecke hervor. Sie bedeckte sie mit einer Ecke ihrer Decke. Xiaobao, der kleine Schatz, schlief zusammengerollt links von ihr. Er atmete tief und gleichmäßig. Der gedämpfte Schrei noch weiter entfernter Hähne drang durch die Luft. Fröstelnd kletterte sie vom Bett, warf eine Jacke über die Schulter und ging auf den Hof. Sie blickte zum Himmel auf. Im Westen hingen drei Sterne am Himmel, und im Osten stiegen die Sieben Schwestern über den Horizont. Bald würde es dämmern.
    Die Frau ging zurück ins Haus und stieß ihren Mann an.
    «Zeit zum Aufstehen», sagte sie. «Die Sieben Schwestern stehen schon am Himmel.»
    Der Mann hörte auf zu schnarchen und schnalzte ein-, zweimal mit den Lippen, bevor er sich aufrichtete.
    «Dämmert es schon?», fragte er ein wenig verwirrt.
    «Beinahe», sagte die Frau. «Sieh zu, dass du diesmal ein bisschen früher dran bist, damit du den Weg nicht umsonst machst wie das letzte Mal.»
    Langsam zog der

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