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Die Schnapsstadt

Die Schnapsstadt

Titel: Die Schnapsstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Schmerz zu schreien. Ein fremder, störender Geruch lag in der Luft.
    «Nicht so hart, Papa! Scheuer ihm die Haut nicht auf!»
    «Er ist nicht aus Papier», sagte Yuanbao. «Er hat eine kräftige Haut. Du ahnst nicht, wie raffiniert diese Inspektoren sind! Sie stecken sogar den Finger in sein Arschloch, und wenn sie Dreck finden, stufen sie ihn eine Klasse niedriger ein. Eine Klasse niedriger macht mehr als zehn Yuan weniger aus.»
    Schließlich war das Bad beendet. Jin Yuanbao hielt den kleinen Xiaobao im Arm, während seine Mutter ihn abtrocknete. Seine Haut leuchtete im Lampenlicht rötlich und verbreitete einen appetitlichen Fleischgeruch. Die Frau holte neue Kleider und nahm dem Vater sein Kind ab. Xiaobao fing wieder an, nach ihrer Brust zu suchen, und seine Mutter ließ ihn gewähren.
    Jin Yuanbao trocknete sich die Hände ab und stopfte seine Pfeife. Er zündete sie an der Lampe an, blies eine Rauchwolke aus dem Mund und sagte:
    «Dieser kleine Teufel hat mich richtig zum Schwitzen gebracht.»
    Xiaobao schlief ein. Er hatte die Brustwarze seiner Mutter immer noch im Mund. Seine Mutter hielt ihn fest, als wolle sie ihn nicht gehen lassen.
    «Gib ihn her», sagte Yuanbao. «Ich habe noch einen weiten Weg vor mir.»
    Die Frau ließ ihre Brust aus dem Mund des Jungen gleiten. Der nuckelte immer noch weiter.
     
    Jin Yuanbao nahm die Papierlaterne in eine Hand, seinen schlafenden Sohn auf den anderen Arm und ging hinaus auf die Gasse, die zur Hauptstraße des Dorfs führte. Als er die Gasse entlangging, spürte er in seinem Rücken die Augen, die ihm von der Haustür her folgten und ihn bekümmerten. Doch der Kummer schwand spurlos, sobald er die Straße erreicht hatte.
    Der Mond stand noch am Himmel und warf sein graues Licht auf das Pflaster. Die Pappeln am Straßenrand sahen mit ihren kahlen Ästen und geisterhaft bleichen Wipfeln aus wie hagere Männer. Er schüttelte sich. Die Laterne strahlte ihr warmes gelbes Licht aus und ließ die Schatten auf dem Kopfsteinpflaster tanzen. Er putzte sich die Nase und sah die Wachsträne an, die am Docht herablief. Hinter einem Zaun bellte verschlafen ein Hund. Er schaute auf den Schatten des Hundes, der sich geräuschvoll in einen Heuhaufen vergrub, und teilte seine Müdigkeit. Als er das Dorf verließ, hörte er Kinder weinen und blickte hinauf zu dem Licht in den Fenstern der einfachen Hütten. Er wusste, dass sie genau das taten, was seine Frau und er noch vor kurzem getan hatten. Das Wissen, dass er einen Vorsprung vor ihnen gewonnen hatte, munterte ihn ein wenig auf.
    Als er sich dem Tempel des Erdgotts am Dorfrand näherte, zog er ein Paket Geistergeld aus der Tasche, zündete es an der Laterne an und legte es in einen Kessel vor der Tempeltür. Die Flammen zuckten durch das Papier wie funkelnde Schlangen. Er warf einen Blick in den Tempel, wo der Erdgott unbeweglich zwischen seinen beiden Geisterfrauen saß. Alle drei trugen ein eisiges Lächeln im Gesicht. Der Steinmetz Wang hatte den Erdgott gemeißelt, den Gott aus schwarzem Stein, seine Frauen aus weißem. Der Erdgott war größer als seine beiden Frauen zusammen und wirkte wie ein Erwachsener zwischen zwei Kindern. Der mangelnden Geschicklichkeit von Steinmetz Wang war es zu danken, dass alle drei so hässlich waren wie nur möglich. Im Sommer wuchs auf den Statuen unter dem undichten Tempeldach Moos und überzog sie mit einem ölig grünen Schimmer. Das Geistergeld verbrannte, und das verkohlte Papier rollte sich wie weiße Schmetterlinge zusammen. Scharlachrote Flammen züngelten um seine Kanten, bevor sie erloschen. Er hörte das Papier knistern.
    Nachdem er seinen Sohn so bei der zuständigen Ortsgottheit abgemeldet hatte, legte Jin Yuanbao die Laterne und das Kind auf den Boden, um niederzuknien und sich vor dem Erdgott und seinen Frauen zu verneigen. Dann hob er seinen Sohn und die Laterne wieder auf und machte sich eilig auf den Weg.
     
    Als die Sonne über den Bergen aufging, erreichte er den Yanshui. Die Salzbäume am Flussufer sahen aus, als wären sie aus Glas. Das Wasser war leuchtend rot. Er löschte die Laterne und versteckte sie unter den Salzbäumen. Dann ging er zur Anlegestelle und wartete auf die Fähre, die ihn über den Fluss bringen sollte.
    Kaum war der Kleine aufgewacht, schon fing er an zu plärren. Yuanbao fürchtete, die Energie, die der Junge dabei verbrauchte, könne ihn ein paar Pfund kosten. Er wusste, dass er ihn beruhigen musste. Der Junge konnte schon gehen, also trug ihn

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