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Die Schnapsstadt

Die Schnapsstadt

Titel: Die Schnapsstadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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Mann den Leinenmantel über die Schultern, griff nach dem Tabaksbeutel am Kopfende des Betts, stopfte seine Pfeife und steckte sie in den Mund. Er griff nach einem Stück Eisen, einem Feuerstein und Zunder, um sie anzuzünden. Eckige Funken sprühten durch die Dunkelheit. Einer landete auf dem Zunder. Er pustete darauf, und der Zunder fing Feuer. Eine dunkle rote Flamme glühte in dem dunklen Zimmer auf. Er zündete seine Pfeife an und machte rasch ein paar Züge. Er wollte den Zunder ausdrücken, als seine Frau sagte:
    «Mach die Lampe an.»
    Der Mann fragte: «Bist du sicher, dass du das willst?»
    «Mach sie schon an», antwortete sie. «Ein bisschen Lampenöl macht uns auch nicht ärmer, als wir ohnehin schon sind.»
    Er atmete tief ein und pustete noch einmal auf den Zunder in seiner Hand. Er sah zu, wie die Glut heller und immer heller wurde und sich schließlich in eine richtige Flamme verwandelte. Die Frau brachte die Lampe, zündete sie an und hängte sie an die Wand, von wo aus sie ihr schwaches Licht über das Zimmer verteilte. Mann und Frau wechselten hastige Blicke und sahen dann weg. Eines der zahlreichen Kinder, die neben dem Mann schliefen, redete laut im Schlaf: Es skandierte Parolen. Ein anderes Kind streckte die Hand aus und strich über die schmierige Wand. Noch ein anderes weinte. Der Mann steckte den Arm des einen Kindes wieder unter die Decke und stieß das andere an.
    «Warum flennst du, kleiner Quälgeist?», schimpfte er ungeduldig.
    Die Frau holte tief Luft. «Soll ich Wasser warm machen?»
    «Mach schon», antwortete der Mann. «Ein paar Kellen sollten reichen.»
    Die Frau dachte kurz nach. Dann sagte sie: «Vielleicht sollten wir diesmal drei nehmen. Je sauberer er ist, desto besser stehen die Chancen.»
    Der Mann hob stumm die Pfeife und warf einen Blick auf die Ecke des Betts, wo der Kleine fest schlief.
    Die Frau stellte die Lampe auf den Boden, sodass das Licht in beide Zimmer fiel. Sie wusch den Kochtopf aus, schüttete drei Kellen Wasser hinein, legte den Deckel auf und griff nach einer Hand voll Stroh, das sie an der Lampe anzündete und vorsichtig in den Herd steckte. Sie schob mehr Stroh nach, und das Feuer loderte auf. Goldene Flammen züngelten in die Höhe und verliehen dem Gesicht der Frau Farbe. Der Mann saß auf einem Hocker neben dem Bett und sah die Frau, die jünger zu sein schien als er, mit ausdruckslosem Blick an.
    Das Wasser blubberte und kochte, und die Frau fütterte den Herd mit Reisig. Der Mann klopfte die Pfeife an der Bettkante aus, räusperte sich und sagte zögernd:
    «Sun Dayas Frau im Ostdorf ist schon wieder schwanger. Dabei hat sie noch eins an der Brust hängen.»
    «Jede ist anders», sagte die Frau ruhig. «Wer hätte nicht gern jedes Jahr ein Baby? Und möglichst auch noch jedes Mal Drillinge.»
    «Dieser Armleuchter Daya hat ausgesorgt. Und alles nur, weil sein Bruder Inspektor ist. Seine Ware war minderwertig, aber ihm hat das natürlich nicht geschadet. Sein Angebot hätte mit viel Glück gerade noch als zweitklassig eingestuft werden können, aber sie haben es Sonderqualität genannt.»
    «Wer Beziehungen bei Hofe hat, wird leicht Beamter. So ist das nun einmal», sagte die Frau.
    «Aber unser Xiaobao schafft sicher die Sonderqualität. Keine andere Familie hat so viel investiert», sagte der Mann. «Du hast hundert Pfund Bohnenkuchen gegessen, zehn Karpfen, vierhundert Pfund Rüben …»
    «Gegessen? Das Essen war kaum in meinem Magen angekommen, da hatte es sich schon in Milch für unseren kleinen Schatz verwandelt.»
    Dampf quoll unter dem Topfdeckel hervor. Das Lampenlicht flackerte in der feuchten Luft schwach wie eine kleine rote Bohne.
    Die Frau hörte auf, Brennholz nachzulegen, und drehte sich zu ihrem Mann um.
    «Bring mir die Waschschüssel», befahl sie.
    Seine Antwort war ein dumpfes Grunzen. Er ging in den Hof und kam schnell mit einer angeschlagenen schwarzen Waschschüssel zurück. Eine dünne Eisschicht überzog den Boden.
    Die Frau nahm den Deckel vom Topf und ließ eine Dampfwolke entweichen, die fast die Lampe gelöscht hätte. Langsam wurde es wieder hell im Zimmer. Sie griff nach der Schöpfkelle und schüttete heißes Wasser in die Schüssel.
    «Tust du kein kaltes Wasser dazu?», fragte der Mann.
    Sie prüfte das Wasser mit der Hand.
    «Nein», sagte sie. «Es ist genau richtig. Hol ihn her!»
    Der Mann ging ins Nebenzimmer, bückte sich und hob den Jungen, der noch schnarchte, aus dem Bett. Als der Kleine anfing zu weinen,

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