Die Schnelligkeit der Schnecke
paar Minuten diesen seltsamen holländischen Professor verschwinden sehen, mit Badehose, Schwimmreifen und einem Buch in der Hand. Und jetzt, durch die Lücken in der Hecke, sah man hin und wieder die zufriedene Silhouette von A.C.J. Snijders, der in seinem Rettungsring saß, in einer Hand das Buch, die andere locker im Wasser hängend, offensichtlich in Frieden mit sich und der Welt.
»Meinst du wirklich, die schaffen es, das alles aufzuessen?«
»Keine Ahnung. Wenn sie es schaffen, haben sie meine aufrichtige Bewunderung. Und ich werde eine Blume auf ihr Grab legen.«
»Ach komm, jetzt übertreib nicht.«
»Ich übertreibe gar nicht. Schau doch nur, wie viel Zeug da ist. Wenn diese alten Typen wirklich alles aufessen, dann gibt irgendwer von denen den Löffel ab.«
Es war halb fünf nachmittags, und während der erste Teil der Nachmittagssitzung des Kongresses, mit dem mysteriösen Titel »Protein binding, folding and recognition«, stattfand, legten Massimo und Aldo letzte Hand an den Tischen vor dem Schwimmbad an, indem sie die Tabletts und Karaffen ausrichteten, die für den Nachmittagsimbiss der Wissenschaftler bestimmt waren.
Der ernährungstechnische Teil des Nachmittags wurde von Tavolone persönlich betreut, dem Küchenchef von Aldos Restaurant und überzeugtem Verfechter des Binoms Quantität-Qualität.
Vor die Aufgabe gestellt, eine Aperitif-Häppchen-Verkostung für den Nachmittag zusammenzustellen, hatte Tavolone sich von seinem nicht lange zurückliegenden Spanienurlaub inspirieren lassen und die zehn Quadratmeter Tisch, die ihm zur Verfügung standen, mit einem prächtigen Teppich aus Tapas aller Art bedeckt. Von seinem Platz hinter dem Tisch lief Massimo das Wasser im Munde zusammen, während er die Parade der vielfältigen Häppchen bewunderte: Kartoffeltortillas, Crostini mit Stockfischpüree, kleine, mit einem Artischockenblatt garnierte Würstchen, mit Pancetta umhüllte und mit Röstzwiebeln bestreute Brokkoliröschen, gefüllte Cocktailtomaten mit Ziegenfrischkäse und Kräutern und vieles andere. Etwas, bei dem allein der Anblick schon Freude macht. Und Hunger natürlich. Womit Massimo stets gut ausgestattet ist. Abgesehen davon ist er auch Ampelios Enkel, und der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.
Doch die Häppchen waren viel zu ordentlich arrangiert. Alle perfekt präsentiert, in kompakten und symmetrischen Einheiten. Eines davon wegzunehmen, bevor die hungrigen Horden eintrafen, ohne eine unübersehbare Lücke zu hinterlassen, war unmöglich. Deshalb versuchte Massimo abzuschätzen, wie die Chancen standen, dass die Kongressteilnehmer ein paar versprengte Überlebende zurückließen, die er dann zu seinen Gefangenen machen und für die Exekution vorbereiten konnte, nachdem alles aufgeräumt war, vielleicht wenn er gegen sieben Uhr die abendliche Kühle genoss, ausgestreckt auf einem Liegestuhl neben dem Schwimmbecken und ohne einen Gedanken an die Welt um sich herum. Bis um acht wäre sowieso Tiziana in der Bar. Andererseits hatten die Gelehrten schon an diesem Morgen gezeigt, wozu sie in der Lage waren, als sie im Coffeebreak die Tische geplündert hatten und bis auf ein paar zerknüllte Servietten und hier und da eine Lache Ananassaft in einem Glas nichts zurückgelassen hatten.
Da alles für den Beginn der Kaffeepause vorbereitet war, hatte Massimo sich die Ohrstöpsel seines iPod eingesetzt, um sich von den Gedanken ans Essen abzulenken, und genoss gerade ein buntes Potpourri aus Erfolgshits der 80er-Jahre bis heute.
Während Massimo in seinem Plastiksessel versunken Musik hörte, hatte Aldo ein noch originalverpacktes Pokerspiel aus der Tasche gezogen. Er öffnete die Verpackung, zog den Stapel Karten heraus und fächerte ihn so perfekt auf, dass von jeder Karte exakt die Farbe und der Wert zu sehen war. Er schob das Spiel wieder zusammen, teilte den Stapel und mischte ihn auf amerikanische Art. Dann zog er eine Karte aus dem Stapel und zeigte sie Massimo, mit einem Gesicht, als wollte er gleich etwas ganz Unglaubliches tun, schien jedoch unmittelbar darauf seine Meinung geändert zu haben, steckte die Karte in den Stapel zurück und legte diesen hinter dem Tisch ab.
»Da kommen sie. Steh auf, nimm die Teile aus den Ohren und hilf mir ein bisschen.«
»Und kein Spielchen für Massimo?«
»Nichts da. Später vielleicht, wenn du brav bist. Jetzt kommen die Barbaren.«
In der Tat. Die Glastüren zur Terrasse waren geöffnet worden, und aus dem Kongresssaal strömten die
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