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Die Schnelligkeit der Schnecke

Die Schnelligkeit der Schnecke

Titel: Die Schnelligkeit der Schnecke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Malvaldi
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nicht ein bisschen wie Verschwendung vor, ein Mann wie Sie in einer Bar?«
    »Kommt darauf an. Manchmal, wenn ich über die Zeit nachdenke, die ich hinter den Büchern gesessen habe, dann könnte ich mir schon mal an den Kopf fassen. Aber dass ich die Person bin, die ich jetzt bin, verdanke ich all dem, was ich studiert habe. Wenn Verdanken das richtige Wort dafür ist. Aber Verschwendung, nein. Absolut nicht. Ich bin nützlicher für die Welt, wenn ich die Arbeit tue, die mir gefällt, als jene schamlosen Typen, die etwa als Manager arbeiten und nichts können, als irgendwelche Löcher in Bilanzen zu schaufeln, so tief wie der Mariannengraben, und sich dann noch eine Abfindung in Millionenhöhe zusichern, wenn sie ihren Abschied einreichen müssen. Im Übrigen ist es gar nicht so schlecht, in einer Bar zu arbeiten.«
    Snijders blickte ihn an. Er schien nicht allzu überzeugt zu sein.
    »Wirklich? Ist das nicht ein bisschen langweilig?«
    »Doch«, sagte Massimo, während er sich zur Speisekammer umdrehte. »Manchmal schon. Aber das macht mir nichts aus. Manchmal kann eine langweilige Arbeit sogar das Beste aus einem Menschen herausholen.«
    Snijders lächelte. »Jetzt nehmen Sie mich auf den Arm.«
    Nicht ganz, dachte Massimo. Eine langweilige Arbeit kann das Beste aus einem Menschen herausholen. Du musst nicht über das nachdenken, was du gerade tust, gehst auf Autopilot, und derweil arbeitet dein Gehirn. Als er die Relativitätstheorie entwickelt hat, hat Einstein auf dem Patentamt gearbeitet. Bulgakov war Landarzt, und Pessoa arbeitete im Katasteramt, meine ich. Borges war Bibliothekar, und Kavafis Angestellter beim Amt für Wasserwirtschaft.
    Gib einem phantasiebegabten Menschen eine eintönige, immer gleiche Arbeit, die ihn in Kontakt mit anderen Menschen bringt, und du riskierst ernstlich, einen Nobelpreis zu produzieren. Oft gelingt es einem Menschen, der in Ruhe gelassen wird und nicht ständig von der Angst erschüttert wird, etwas hervorbringen zu müssen, seine Gedanken spontan fließen zu lassen, sodass sie sich nach und nach auf dem Grund absetzen und dort kristallisieren, manchmal in Formen von seltener Schönheit. Klar, ich verbringe meine freien Nachmittage auf dem Sofa und spiele Playstation, aber das ist was anderes. Ich bin schließlich kein Dichter.
    Zum Glück trat in diesem Augenblick, als Massimos Gedanken eine deprimierende Richtung einzuschlagen begannen, Del Tacca gefolgt von Ampelio ein.
    »Guten Abend«, sagte Pilade, während Ampelio sich an einen Tisch setzte. »Was ist das Thema?«
    »Dass Massimo ein perfekter Barmann ist«, sagte Snijders und zeigte mit einer gewissen Begeisterung auf ihn.
    »Wer, der?«, verzog Ampelio das Gesicht. »Um Himmels willen. Und Sie glauben ihm das?«
    »Perfekt nicht«, gestand Massimo ein. »Aber sehr viel besser als der Durchschnitt, das ja. Hey, ich verwende nur frische Zutaten. Ich habe sechs verschiedene Kaffeesorten. Ich habe beinahe vierzig verschiedene Biere. Ich bin die einzige Bar im Umkreis von zwanzig Kilometern, die die Granita mit frisch gepresstem Fruchtsaft macht, gepresst mit meinen eigenen Händen, und nicht mit synthetischem Sirup. Jetzt hab ich noch eine orangefarbene Wand, also bin ich auch ästhetisch gesehen auf der sicheren Seite. Ich hätte sogar drahtloses Internet, wenn nicht ein Schwarm alter Nervensägen ihr Nest ausgerechnet an dem einzigen Tisch gebaut hätte, an dem es funktioniert. Und im Übrigen bleibt die Tatsache, dass ich als Barista arbeite, dass dies meine Bar ist und dass aus meiner Bar von heute an Gespräche über Verbrechen, Todesfälle und vorsätzlich herbeigeführte Dramen verbannt sind. Wollt ihr was bestellen?«

Neun
    Also. Jetzt muss ich zum Internet-Point gehen, um wegen dem Signal nachzufragen. Dann muss ich die Ricciardi anrufen, um zu hören, wann sie vorhaben mich zu bezahlen, denn auch wenn der Kongress abgebrochen wurde, die zwei Tage hab ich ja trotzdem gemacht. Das müsste eigentlich Aldo erledigen, aber schön wär’s. Er ist eine Künstlerseele und denkt nicht an Geld. Dann muss ich irgendeine Möglichkeit finden, um diese Jalousie von der Tür der Bar verschwinden zu lassen. Dann, war da noch was anderes? Mal sehen. Ach ja, ich muss zur Behörde gehen wegen der Genehmigung für die Tischchen. Und dann? Mir ist, als wär da noch was, aber ich erinnere mich nicht, was. Na ja, ist ja auch egal. Irgendwann fällt’s mir schon wieder ein – eine Stunde nachdem ich es hätte machen müssen, wie

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