Die Schnelligkeit der Schnecke
immer.
Im Gehen, auf dem Weg zum Internet-Point, wiederholte Massimo im Geist die heutige To-do-Liste, einer seiner ganz normalen Albträume.
Massimos Gedächtnis fing allmählich an, wie ein Rohr zu arbeiten: Ereignisse, die Monate oder Jahre zurückreichten, egal ob wichtig oder weniger wichtig, setzten sich an den Wänden des Rohrs fest, und es war so gut wie unmöglich, sie wegzubekommen. Im Gegensatz dazu gingen Informationen, die Massimo im Laufe des Tages aufnahm, unabhängig von ihrer Wichtigkeit hinein, verweilten eine begrenzte Zeit darin und traten dann an der anderen Seite wieder aus, und das war’s. Gleichzeitig versteifte Massimo sich darauf, ein hervorragendes Gedächtnis zu haben, und schrieb sich folglich nie auf, was er zu erledigen hatte. Wenn er eine Aufgabenliste abzuarbeiten hatte, rief er sie sich deshalb alle dreißig Sekunden ins Gedächtnis, mit nicht immer der Situation angepassten Resultaten.
Andererseits versuchte Massimo verzweifelt, nicht an das Verbrechen zu denken. Und der einzige Weg, das zu tun, war, sich das Gehirn und den Tag so voll wie möglich zu packen. Nachdem man festgestellt hatte, dass Asaharas Computer absolut nichts enthielt, war Massimo gezwungen, der Realität ins Auge zu sehen. Die Hypothese, von der sie ausgegangen waren, war von Anfang an überaus dünn gewesen. Zudem hatten sie nicht einmal die nötigen Indizien, um sie zu überprüfen. Also tschüs. Aber da Massimo es hasste, eine Sache unerledigt zu lassen oder sie nicht zu durchschauen, musste er, um nicht durchzudrehen, sich zwangsläufig mit anderen Dingen beschäftigen. Abgesehen von dem Problem, das ihn seit einigen Tagen unterschwellig plagte, also: Warum funktioniert in meiner Bar das drahtlose Internet nicht?
Deshalb war Massimo auf dem Weg zu ConnectZone, dem einzigen Internetcafé in Pineta, um den Eigentümer zu fragen, ob auch er diese Probleme gehabt, und falls ja, wie er sie gelöst hatte. Im Prinzip hasste unser Held es, Leute um einen Gefallen zu bitten, wenn er sie nicht mehr als gut kannte. Aber der Typ vom Internetcafé war ein umgänglicher Mensch, und Massimo fand ihn sympathisch, weil er, wenn er in die Bar kam, die Zeitungen nahm, sie las und sie dann so perfekt zusammengefaltet wieder an ihren Platz zurücklegte, wie er sie herausgeholt hatte. Kleinigkeiten, aber Massimo ertrug Leute nicht, die sich die Zeitung nahmen, sie von vorne bis hinten durchblätterten und sie dann, nachdem sie sie gelesen hatten, irgendwie zusammenknüllten oder noch besser sie schief und krumm auf dem Tisch liegen ließen, als wäre es ihre Zeitung und nicht die der Bar.
Beim Internetcafé angekommen, trat Massimo ein und sah sich um. An den Computern saßen vier oder fünf Leute, unter denen Massimo zwei oder drei Kongressteilnehmer erkannte: ein fettleibiger amerikanischer Professor, Doktor Kubo, also Asaharas japanischer Kollege, und ein Deutscher mit einem Killergesicht, an den Massimo sich gut erinnerte, weil er sich im ersten Coffeebreak den Teller an die zehnmal vollgeladen hatte. Er ging nach hinten, wo die Frau des Eigentümers saß und ein Buch las, während sie Erdbeeren aus einer Plastiktüte naschte.
»Salve. Ich wollte zu Davide.«
»Ciao. Davide ist nicht da.«
»Aha. Du weißt nicht zufällig, wann er zurückkommt?«
»Also heute Morgen kommt er nicht, weil er zu Hause ist und auf den Heizungsmonteur wartet, bei uns ist neulich die Heizung kaputtgegangen, und jetzt haben wir schon zwei Tage lang nur kaltes Wasser. Wenn ich dir vielleicht weiterhelfen kann ...«
»Tja, wenn du das weißt, gerne. Es geht um die WLAN-Verbindung. Ich hab sie jetzt auch eingeführt, vor einer Woche, aber ich hab ein Problem damit. Eigentlich habe ich nur an einem einzigen Platz Empfang. Ich wollte wissen, ob ihr auch solche Probleme hattet.«
»Ich verstehe. Hör mal, das weiß ich nicht. Das hat alles Davide gemacht, und solche Probleme hatten wir nicht. Allerdings wird die WLAN-Verbindung bei uns auch nur wenig benutzt, normalerweise kommen die Leute her und setzen sich an einen unserer Computer. Aber über fehlenden Empfang hat sich noch nie jemand beschwert.«
Wie auch? Manchmal kommt es mir vor, als würden bestimmte Dinge immer nur mir passieren.
»Ich verstehe.«
»Auf jeden Fall kommt Davide zum Mittagessen her. Ich kann ihm sagen, er soll doch nach dem Essen auf einen Kaffee bei dir in der Bar vorbeischauen, damit du ihn direkt fragen kannst.«
»Ja gut, so machen wir’s. Danke.«
Aufgabe
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