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Die Schnelligkeit der Schnecke

Die Schnelligkeit der Schnecke

Titel: Die Schnelligkeit der Schnecke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marco Malvaldi
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nicht du! Das Problem ist, dass du in deinem Gedächtnis nur die Sachen speicherst, die dich interessieren. Die Bar, ja. Die Mathematik, ja. Fußball, auch das. Dein Großvater, nein. Weil dein Großvater dir vollkommen egal ist! An dem Tag, an dem ich sterbe, wirst du noch merken, was du an mir hattest. Er hat es vergessen! Ich bitte dich ...«
    »Großvater, tu mir einen Gefallen und lass dich dieses eine Mal von jemand anderem zur Post bringen. Ich erklär’s dir später, ja? Ciao.«
    Er legte schnell auf.
    So. Das wär’s. Ich hab’s verstanden. Brauchte nur noch einen kleinen Schubs, jemand, der mir das richtige Stichwort lieferte. So weit kommt es noch, dass ich mich beim Großväterchen bedanken muss. Sicher, es könnte auch sein, dass ich mich irre. Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden.
    Massimo holte tief Luft, dann griff er wieder zum Hörer. Während er die Nummer wählte, merkte er, dass er ganz außer Atem war, und versuchte, ein- oder zweimal tief durchzuatmen, damit er sich wieder beruhigte. Beim dritten Klingeln meldete sich eine weibliche Stimme: »Fakultät Chemie, guten Tag.«
    »Guten Tag.« Keuch. »Ich wollte Carlo Pittaluga sprechen.«
    »Einen Augenblick bitte.«
    Nach einer kurzen Wartezeit, die glücklicherweise nicht durch irgendwelche abgeschmackten Melodien gestört wurde, meldete sich Carlos Stimme: »Ja, pronto.«
    »Ciao, Carlo.« Doppeltes Keuchen. »Entschuldige, wenn ich dich überfalle, aber du musst mir einen Gefallen tun. Es ist absolut wichtig, dass du das sofort machst. Hast du die Sachen noch, die auf dem japanischen Computer waren?«
    »Die Dokumente? Warte mal kurz, vielleicht hab ich sie schon gelöscht, aber ich bin mir nicht sicher. Ich seh nach.«
    Eine kurze Stille, nur durchbrochen von wildem Mausklicken.
    »Ja, ist alles noch da. Was soll ich damit machen? Soll ich sie dir schicken?«
    »Nein. Du müsstest versuchen, das Programm zu starten.«
    »Wie bitte?«
    »In einem der beiden Ordner war doch ein Fortran-Programm. Ein Programm für Moleküldynamik. Erinnerst du dich?«
    »Ja, ja. Hier ist es. Ein einfaches, kleines Programm. Scheint was Didaktisches zu sein.«
    »Gut. Kannst du bitte versuchen, es zu kompilieren und es laufen zu lassen?«
    »Ja ... na klar.« Carlo lachte leise. »Was soll denn dann passieren? Kommt der Name des Mörders heraus?«
    »Möglicherweise. In gewissem Sinne. Ich erklär’s dir später. Rufst du mich an, wenn du fertig bist?«
    »In Ordnung. Aber ich weiß nicht, wie lange ich brauche, um dieses Ding zum Laufen zu kriegen.«
    »Ist egal. Versuch einfach, es zu kompilieren.«
    »Sofort, mein Herr. Bis nachher.«
    Massimo legte den Hörer wieder auf. Er nahm das Päckchen Zigaretten und zog eine heraus. Jetzt hab ich mir wirklich eine verdient. Er zündete sie an, nahm ein paar Züge und versuchte sich zu entspannen. Vergebens. Er war dermaßen aufgeregt, dass er zitterte. Er zog noch ein paarmal, dann drückte er die Zigarette im Aschenbecher aus. In dem Augenblick klingelte das Telefon.
    Massimo hob ab und sagte: »Pronto.«
    »Von wegen pronto«, antwortete Ampelios Stimme. »Wer hat dir eigentlich Manieren beigebracht, King Kong? Wenn ich als junger Mann den Hörer einfach so aufgeknallt hätte, weißt du, was dann passiert wäre?«
    »Großvater, als du jung warst, gab’s doch noch Rauchzeichen. Ich brauche das Telefon. In fünf Minuten komme ich vorbei und hole dich ab, in Ordnung? Ciao.«
    Er legte wieder auf. Einen Augenblick später klingelte das Telefon von Neuem. Dieses Mal hob Massimo behutsam ab: »Pronto.«
    »Pronto, Massimo«, sagte Carlos Stimme. »Hör zu, ich hab probiert, das Programm zu kompilieren, aber es gibt da ein Problem.«
    »Was für ein Problem?«, fragte Massimo.
    »Es funktioniert nicht. Es ist viel zu groß dimensioniert. Die Dimensionen sind geradezu absurd. Dieses Programm würde normalerweise mehr als vierzig Gigabyte Speicherplatz benötigen.«
    Massimo hielt den Hörer vom Ohr weg, während das Zittern seiner Beine nachließ und der Druck auf seiner Brust verschwand, als hätte ihm jemand eine Last abgenommen. Er wunderte sich, dass er keine triumphalen Fanfarenstöße hörte.
    Ich glaub’s nicht. Ich hab’s getroffen.
    Ein paar Sekunden später hörte er Carlos Stimme fragen: »Was soll ich tun, es kleiner machen und dir schicken?«
    »Nein, Carlo. Ist nicht wichtig. Es ist perfekt, so wie es ist.«
    »Aha. Na gut. Erklärst du’s mir später?«
    »Sicher. Zumindest hoffe ich das. Hör

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