Die Schnelligkeit der Schnecke
bisschen Phantasie, etwas Einfallsreichtum. Besonders die Italiener haben etwas Seltsames an sich. Was die Kompetenz angeht, meine ich.«
Wir haben so viel Seltsames hier, mein Lieber, auf der Ebene der Kompetenz. Du befindest dich in dem Land, in dem die Fernsehassistentinnen über Fußball reden und die Priester über Sex und Familie.
»Und was?«
»Sie sind nicht originell. Fast nie, meine ich. In letzter Zeit sehe ich Leute, die dieselben Sachen machen wie schon vor zwanzig Jahren. Sie verfeinern. Sie präzisieren. Sie machen wunderschöne Sachen, manchmal. Sehr komplex. Aber immer nach demselben Muster. Im Allgemeinen, meine ich. Ausnahmen gibt es. Aber sie sind selten. Und das ist doch keine Wissenschaft. Da braucht es Originalität, neue Ideen. Die Applikationen muss die Industrie machen. Wir müssen forschen.«
Bemerkenswert. Neue Thermalquelle in Pineta entdeckt von Professor Snijders von der Universität Groningen.
»Und ich verstehe nicht, warum«, fuhr Snijders fort, da ihn das Thema offensichtlich umtrieb. »Wissenschaftlich gesehen, sind die Italiener immer solide gewesen. Als Studenten gut ausgebildet. Nicht wie die Russen oder die Inder, aber doch sehr viel besser als der europäische Durchschnitt. Das ist doch seltsam.«
Massimo fühlte sich empfindlich getroffen. Über dieses Thema hatte er sich schon so oft aufgeregt, dass er auch, ohne es zu wollen, darauf anspringen musste, sobald die Rede darauf kam. Es war beinahe so etwas wie ein Pawlow’scher Reflex.
»Nein, das ist nicht komisch«, sagte er, während er Snijders seine Focaccia auf den Teller gleiten ließ. »Wissen Sie, warum? Die Forschung in Italien ist nicht originell, weil sie von Tyrannosauriern bestimmt wird. In Italien sind siebenundvierzig Prozent der ordinierten Professoren Leute über sechzig Jahre. Sechzig. Gioacchino Rossini hat es nicht mehr geschafft, mit sechzig noch originell zu sein, und da erwarten Sie das von solchen Leuten?«
»Aber warum gehen die dann nicht in Pension?«, fragte Snijders mit vollem Mund. »Merken sie denn nicht, dass sie nichts Gutes mehr zustande bringen?«
»Nein. Das merken sie nicht. Weil wir es in diesem Scheißland gewöhnt sind, das Gute auf krankhafte Weise zu tun. Ich gebe Ihnen ein einfaches Beispiel. Ein Großteil der Professoren sagt: ›Ich kann nicht in Pension gehen, auch wenn ich das Recht dazu hätte und keine Lust mehr habe, noch irgendwas zu machen, weil ich erst noch meinen Doktoranden unterbringen muss, oder Assistenten oder welche Rolle der jeweilige Sklave gerade ausübt.‹ Der Gedanke ist folgender: Weil nun dieser Typ Examen, Dissertation und den ganzen Rest mit mir als Tutor gemacht hat, habe ich eine Art moralische Verpflichtung, ihn irgendwo unterzubringen. Versteht sich. Schade nur, dass, wenn du endlich mal abhauen würdest, von dem Geld gleich drei Leute, und ich meine wirklich drei, als Forscher arbeiten könnten. Allerdings käme auf diese Weise vielleicht dein Zögling nicht zum Zuge. Ganz besonders nicht, wenn er ein verdorbenes Arschloch ist, der als einzige Tugend Beharrlichkeit vorzuweisen hat. Denn es ist eine Tatsache, dass man in letzter Zeit in Italien nicht aufgrund von Können an die Universität kommt. Sondern vor allem aufgrund von Erschöpfung. Und das ist das erste Problem.«
»Ach, es gibt auch noch ein zweites Problem?«, fragte Snijders kauend.
»O ja, mein Herr. Das zweite Problem ist, dass wir, als wir jung waren, zu viele waren. Zu viele und darunter zu viele absolut ungeeignete Leute. Ich habe gesehen, wie Leute zu einem Forschungsdoktorat zugelassen wurden, die schon das Examen nur mit Mühe geschafft hatten. Und warum sind die zugelassen worden? Ganz einfach, weil diejenigen, die besser waren, genug Initiative hatten, um ins Ausland zu gehen oder außerhalb der Universität zu arbeiten. Die, die nicht mal in der Lage waren, allein den Finger aus der Nase zu nehmen, sind dafür geblieben und haben sich auf die übliche Prozedur eingelassen. Erst Hilfskraft, dann Doktorat, Stipendium, Lehrauftrag und verschiedene andere Scheiße. Die Professoren sind dabei nicht unschuldig, wohlgemerkt. Anstatt eine Grenze festzulegen, die einigermaßen anständige Leistungen garantiert, haben sie immer weiter eine fixe Anzahl von Leuten eingestellt und zu großen Respekt vor dem gehabt, was sie in Zukunft leisten könnten. So haben sie, zusammen mit den guten Leuten, die es verdient haben, eine Doktorarbeit zu schreiben und als Wissenschaftler zu
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