Die Schnelligkeit der Schnecke
zu, ich ruf dich später wieder an. Danke.«
Nachdem er aufgelegt hatte, blieb Massimo ein Weilchen schweigend stehen. Ich bin mir natürlich noch nicht hundertprozentig sicher. Im Grunde bin ich mir noch überhaupt nicht sicher. Es ist eine Hypothese. Mit Sicherheit kann ich an diesem Punkt nur eines tun.
Massimo hob zum x-ten Mal den Hörer ab und wählte eine Nummer. Beim zweiten Klingeln meldete sich eine freundliche Stimme: »Kommissariat Pineta.«
»Guten Tag. Hier spricht Massimo Viviani. Ich möchte mit Dottor Fusco sprechen.«
»Einen Augenblick bitte.«
Zwischen neun und zehn
Nachdem er im Kommissariat angerufen und sich mit Fusco über das weitere Vorgehen abgestimmt hatte, blieb ihm noch eine halbe Stunde, um den Großvater abzuholen und ihn dorthin zu bringen, wo er endlich die heiß ersehnte Pension auf die Hand bekam. Eine Aufgabe, die Massimo verständlicherweise gleichzeitig verabscheute wie fürchtete.
Erstens verlangte Ampelio, bereits frühmorgens zur Post gebracht zu werden, spätestens um neun. So fand er noch Gelegenheit, mit denen, die er dort kannte (also allen) ein Schwätzchen zu halten, ohne dass dies zum Verlust seines Platzes in der Schlange führte, den er verbal und mit beiläufigen, aber wohlgezielten Stockhieben auf die Schienbeine der Frechdachse verteidigte. Nachdem er das Bargeld eingesteckt hatte, blieb er noch in aller Seelenruhe vor dem Schalter stehen, um mit der diensthabenden Beamtin zu plaudern, und kümmerte sich nicht um die kontrapunktischen Kommentare – also ich könnte die Leute ja umbringen, die so was machen, aber der Ärmste, er ist halt alt, ich bin auch alt, aber als ich hier reingekommen bin, war ich noch jung, man bräuchte hier vor dem Schalter so eine hübsche Falltür, und immer, wenn irgendeiner die Zeit der Beamtin verschwendet, dann zieht sie am Hebel und tschüs –, die auf seine Schultern herabhagelten. Unter dem Strich dauerte die ganze Operation nicht weniger als anderthalb Stunden, in denen die Bar auf Überstundenbasis in Tizianas Händen blieb.
Zweitens war die Fahrt im Auto eine echte Tortur, weil Ampelio, obwohl er nicht selbst fuhr, beinahe jedem Fahrer, dessen Fahrweise seinen höchstpersönlichen Vorstellungen von Korrektheit nicht entsprach, etwas mit seiner schönen, vollen Stimme zu sagen hatte: dem, der zu schnell fuhr (»Hopp, hopp, die Bäume bleiben sowieso stehen«), dem, der zu langsam fuhr (»He, wo du schon dabei bist, Eier zu transportieren, verkaufst du mir ein paar?«), dem, der zu viel hupte (»Benutz das Ding, wenn du deine Mutter besuchen fährst, da herrscht richtiger Verkehr«), und immer so weiter. Wenn es dann aber zum Streit kam, hatten die Leute es natürlich auf Massimo abgesehen und keineswegs auf jenes nette Großväterchen mit der Baskenmütze.
Nachdem Massimo Ampelio vor der Haustür eingesammelt und sich gerade auf den Weg Richtung Postamt gemacht hatte, sagte Ampelio: »Hör mal, Massimo, ich und Pilade, wir haben uns da was ausgedacht.«
»Ich zittere schon. Sag mir, was.«
»Da gibt’s nichts zu zittern, du Einfaltspinsel. Ist alles in deinem Interesse. Sag mal, würde es dir gefallen, wenn wir den Tisch unter der Ulme frei machen würden?«
»Na, ich würde sagen, ja. Habt ihr eine andere Bar gefunden, die euch reinlässt?«
»Nein, nein, wir bleiben da. Was für eine Idee. Wir lassen uns nur woanders nieder.«
»Und wo, wenn ich fragen darf? Das letzte Mal, als ihr euch reingesetzt habt, hast du mich die Klimaanlage ausschalten lassen. Und es war Juli, ich weiß nicht, ob du dich noch erinnerst.«
»Nicht draußen und nicht drinnen. Dahinter.«
»Dahinter?«
»Genau, dahinter. Auf dem kleinen Platz vor dem Garten vom Toncelli.«
Der kleine Platz, den Ampelio meinte, war ein etwa drei Meter breiter Streifen Erde, der parallel zur östlichen Mauer der Bar verlief und auf den man durch eine Hintertür gelangte. Schattig zwar, weil daneben die Gartenhecke des alten Toncelli wuchs, aber auf der anderen Längsseite war er fast vollständig von der Wand der Bar umschlossen. Zu eng und zu bedrückend, seiner Meinung nach, um dort Tische aufzustellen. Aber wenn es ihnen gefiel ...
»Na, wenn es euch da gefällt, soll mir das nur recht sein. Ich nehme ein Vierertischchen und stelle es in die Nähe der Tür.«
»Nein, nein, wir brauchen keine Tischchen. Die nehmen nur Platz weg.«
»Platz weg? Wovon?«
»Na vom Boccia, was sonst? Wenn du da noch einen Tisch aufstellst, wird die Bahn zu kurz.
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