Die Schnelligkeit der Schnecke
So ist sie fast fünfundzwanzig Meter lang, nicht wirklich regelkonform, aber das ist mehr als genug.«
»Von wegen. Das würde euch so passen. Mir aber nicht.«
Man stelle sich das vor, Boccia. Ich hab euch vier schon den ganzen Tag am Hacken, von morgens bis abends, sodass ihr schon fast zur Einrichtung gehört. Wenn ich jetzt noch eine Bocciabahn mache, bin ich verloren. Dann stehen mir alle Rentner Pinetas Schlange quer durch die Bar. Ich hab keine Lust, auch noch Haftcreme für dritte Zähne neben die Seife in der Toilette zu stellen. Eher würde ich den Platz verminen. Boccia. So weit kommt’s noch.
»Er nun wieder! Tiziana hängt ihm irgendwelches Geschmier an die Wände, und er sagt nichts, aber wehe, ich schlage mal was vor. Was ändert das denn, wenn du dahinten die Bocciabahn hinmachst? Wird dadurch irgendwer abgeschreckt?«
»Großvater, dadurch änderst du den Charakter der Bar. Wenn du Nüsse verkaufst, dann werden deine Gäste Affen sein. Wenn du eine Bocciabahn machst, dann werden deine Gäste die Veteranen vom Amba Alagi sein. Das ist das Gesetz von Angebot und Nachfrage. Im Moment schaffe ich meine tägliche Dosis Senioren gerade noch so. Ich habe nicht vor, sie innerhalb der nächsten dreißig Jahre zu erhöhen.«
Ampelio brummte etwas. In der Zwischenzeit waren sie am Postamt angekommen.
»Du bist wirklich zu dämlich, glaub ich. Na los, lass mich aussteigen. Jetzt park erst mal, dann kommst du rein und wir reden in Ruhe darüber, wirst sehen, dann gibst du mir recht.«
Massimo hielt an, ließ den Großvater aussteigen und sah ihm nach, als er zur Post ging. Kaum war Ampelio in sicherem Abstand, ließ er das Auto wieder an und fuhr in Richtung des Kommissariates davon.
Das fehlte mir gerade noch, über Bocciabahnen zu diskutieren, ausgerechnet jetzt.
Von dem nun schon vertrauten Sessel ohne Rollen aus, musterte Massimo Dottor Commissario Fusco. Der sah seinerseits Massimo an. Schweigend, seit etwa dreißig Sekunden.
Wenige Minuten zuvor war Massimo auf dem Kommissariat eingetroffen und hatte Fusco von der Idee erzählt, die ihm an diesem Morgen gekommen war, und von dem Experiment, das er Carlo hatte machen lassen. Danach hatte er Fusco seine Erklärung angeboten.
Jetzt wartete er.
Weitere Sekunden verstrichen, dann erhob sich Fusco aus seinem Chefsessel mit Rollen.
»Das ist alles eine einzige Sauerei«, sagte er.
Ich weiß, dachte Massimo.
»Es ist eine Sauerei aus verschiedenen Gründen«, fuhr Fusco fort, während er sich mit dem Gesäß an die Fensterbank lehnte. »Grund Nummer eins, weil wir, wenn Sie unrecht haben, einen diplomatischen Zwischenfall ohnegleichen auslösen. Und meine Karriere im Arsch ist. Motiv Nummer zwei, weil sowieso schon sicher ist, dass dieser Herr hier vergiftet wurde, in Italien. Und folglich der Fall ohne Zweifel unserer ist. Abgesehen von dem, was Sie mir gerade erzählt haben, habe ich nicht den Hauch eines Indizes.«
Fusco betrachtete seine Finger, dann legte er die Fingerspitzen aneinander, nahm sie wieder auseinander und fing an, die Bewegung rhythmisch zu wiederholen. Er schien nicht allzu überzeugt zu sein.
»Hören Sie, ich kann Ihnen nichts versprechen. Wir können es probieren. Ja, wir müssen es sogar probieren. Aber wir sollten mit äußerster Vorsicht vorgehen. Ein falsches Wort, und ein unglaubliches Chaos bricht aus. Der Dolmetscher der Polizei ist schon nach Florenz zurückgekehrt, und ich schaffe es nicht mehr, ihn rechtzeitig zurückzurufen. Deshalb müssen wir es so machen wie neulich. Aber Sie müssen sich darüber im Klaren sein, dass ich zunächst nur allgemeine Fragen stellen kann. Um spezifischere Fragen stellen zu können, brauche ich irgendeinen Anhaltspunkt, eine Unstimmigkeit, etwas in der Art. Sie übersetzen exakt das, was ich sage, ohne ein einziges Wort hinzuzufügen. Klar?«
»Sicher.«
»Also gut. Und wenn Chaos ausbricht, Amen.« Fusco griff zum Telefon. »Galan? Es muss ein Zeuge für gewisse Überprüfungen einbestellt werden. Würden Sie ins Santa Bona gehen und Doktor Shin-Ichi Kubo und Doktor Koichi Kawaguchi höflich, ich wiederhole, höflich, bitten, Ihnen aufs Kommissariat zu folgen? Danke. Was gibt es noch? Hm. Und was soll ich da machen? Darum soll sich die Schutzpolizei kümmern. Nicht mal im Traum. Galan, wenn irgendein alter Mann vor der Post randaliert, weil man ihn da vergessen hat, und versucht, einen Polizisten anzugreifen, der ihn beruhigen will, dann geht das uns nichts an. Wir haben jetzt
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