Die Schockwelle: Thriller (German Edition)
sondern Schwarz beauftragt, Bauer unverzüglich zum Schweigen zu bringen.
Damit wurde allerdings nur der Dreck unter den Teppich gekehrt.Richter wusste, dass jemand hinter ihm her war, höchstwahrscheinlich der Sohn von Claus Berger. Bei der nächsten Gelegenheit musste er das Übel an der Wurzel packen.
Richter hatte ausschließlich im Bereich der wissenschaftlichen und technischen Spionage gearbeitet, im Gegensatz zu Stasi-Hauptmann Claus Berger, der seine Laufbahn im Jahr 1979 begonnen hatte, nach einer ganzen Welle von Überläufern. Zuerst flog Ingrid Garbe, Sekretärin in der NATO-Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in Brüssel, auf. Ursel Lorenz setzte sich etwas später ab – sie hatte in der operativen Abteilung der NATO gearbeitet und war an sehr detaillierte Informationen über die Arbeitsweise im Lageraum des Hauptquartiers herangekommen. Die Nächste, die sich auf und davon machte, war die belgische Sekretärin Imelda Verrept, nach ihr kamen Ursula Höfs, Inge Goliath und Helga Rödiger. Dolmetscherinnen, Sekretärinnen, Büroangestellte, die interessantes Material in die Hände bekamen. In der Bild -Zeitung war eine Fotoreihe mit zwölf Frauen zu sehen gewesen, unter der Überschrift: »Diese Sekretärinnen spionierten aus Liebe«. Viele der Frauen setzten nach der Enttarnung ihre Ehe oder ihre außereheliche Partnerschaft in der DDR fort, die Beziehungen waren nicht selten echt und stabil. Normalerweise offenbarte ein Romeo in einer frühen Phase des Zusammenseins seinen wirklichen Hintergrund, und sehr oft war die Frau dann bereit, Informationen von ihrem Arbeitsplatz weiterzugeben. Über die Gründe eines solchen Verhaltens wurde viel diskutiert, aber das eine spezifische Motiv gab es nicht. Spannung und Liebe statt Einsamkeit, Abenteuerlust und die intime Nähe durch ein gemeinsames Geheimnis mochten dem Leben eine Bedeutung geben.
Der Propagandasieg durch die Enthüllung all dieser Fälle verblasste freilich neben der Tatsache, dass die Stasi damit wertvolle Informationsquellen verlor und vor allem die USA noch vorsichtiger wurden. Das Pentagon gab seinen westdeutschenVerbündeten keine brisanten Informationen mehr in die Hand, sondern handelte selbst. In westdeutschen Ämtern tauchten Plakate auf, auf denen ein Mann zu sehen war, der eine Frau umgarnte. Der Text dazu lautete: »Das Codewort, das Geheimnisse verrät, heißt ›Liebe‹. Dein Partner ist nicht frei, sondern hat eine langjährige Beziehung mit der Staatssicherheit der DDR. Vergiss das nicht.«
Unter dem Druck des KGB hatte sich die Stasi verstärkt um neue Informationsquellen bemüht. Der aus Leipzig stammende Claus Berger war eine vielversprechende Beziehung mit der in Ramstein tätigen amerikanischen Sekretärin Barbara Keller eingegangen. Unter anderem durch Keller hatte man Erkenntnisse über das NATO-Stabsmanöver Able Archer 83 erhalten. Die paranoid aufgescheuchte KGB-Führung glaubte, die NATO würde unter dem Deckmantel dieses Manövers einen wirklichen Überraschungsschlag vorbereiten.
Aber noch wertvoller wurde Bergers Beziehung zu Barbara Keller ein Jahr später, als Meteor geplant und umgesetzt wurde.
Richter schaute durchs Fenster hinunter auf die Hotelgäste, die über den Parkplatz gingen. Die meisten von ihnen waren wegen Olkiluoto hier, darunter viele Ausländer, in deren Schar man wenig auffiel. Feliks hatte verlangt, dass Richter sich unter falschem Namen im Hotel anmeldete, was sich in dieser Situation als klug herausgestellt hatte. Normalerweise benutzte Richter lieber seinen richtigen Namen, denn wer der Verwendung einer falschen Identität überführt wurde, kam unmöglich schadlos davon. Deshalb war er nach dem Zusammenbruch der Stasi sofort offen mit seiner Vergangenheit umgegangen. Er hatte seinen ehemaligen Arbeitgeber nicht verschwiegen, weil die Wahrheit ohnehin früher oder später herausgekommen wäre. Dass er Ingenieur war, half ihm zusätzlich: In erster Linie war er Fachmann in Sachen Technik.
Anton setzte sich auf den Bettrand. »Lass uns gehen.«
»Geduld. Wir warten innerhalb dieser vier Wände und nicht draußen.«
Richter blickte auf den Fernsehschirm und empfand eine riesige Erleichterung, als er die Überschrift der neuesten Meldung las.
Betriebsstörung im neuen Kernkraftwerk Olkiluoto .
Jeden Moment konnte jemand kommen.
Mira war in der Villa in Huutoniemi rasch und zielstrebig vorgegangen, sie hatte jede Schublade geöffnet, alle Schränke und Regale durchsucht. In der
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