Die Schockwelle: Thriller (German Edition)
seiner Vorgänger gestaunt: Der KGB hatte unter anderem Vorbereitungen für einen Guerillakrieg auf Kreta und in Italien getroffen, Pläne für eine Überschwemmung der Londoner U-Bahn ausgearbeitet und das Vergiften des Wahingtoner Trinkwassers sowie die Sabotage einer Ölpipeline zwischen Italien und der Bundesrepublik Deutschland geplant. Zu den realisierten Operationen zählte zum Beispiel der Einsatz von Terroristen bei Anschlägen auf Objekte der USA und der NATO.
Die wirtschaftlichen Probleme des Ostblocks, die sich in Kirills Arbeit direkt widerspiegelten, hatten zu GorbatschowsZeit extrem zugenommen. In den am besten informierten Abteilungen des KGB sah man, wie die Sowjetunion von Monat zu Monat schwächer wurde. In den osteuropäischen Satellitenstaaten begannen die Volksbewegungen. Es musste etwas unternommen werden.
Im Herbst 1988 wurde Kirill einer Gruppe zugeteilt, deren Aufgabe darin bestand, »ungewöhnliche operative Sondermaßnahmen« zu entwickeln, um bestehende Differenzen zwischen einzelnen NATO-Verbündeten zu verschärfen. Die kleine Gruppe wurde mit weitläufigen Befugnissen ausgestattet und dann mit den zuverlässigsten Männern des KGB und der Stasi-Abteilung für Sonderoperationen tätig. Die Stasi verfügte über eine lange Tradition und über die operativen Voraussetzungen für den Kampf gegen die Nachrüstung in der Bundesrepublik. Zusätzlich wurde Kirills Kompetenz in Sachen Desinformation und strategische Planung gebraucht sowie insbesondere die technischen Fachkenntnisse für Sabotageakte.
Die Gruppe plante die Operation Meteor zur inneren Zersetzung der NATO. Der Streit um die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Europa hatte für einen Riss zwischen den Mitgliedern des Militärbündnisses gesorgt, und der Sinn von Meteor bestand darin, die Vereinigten Staaten zu zwingen, ihre Atomraketen aus der Bundesrepublik abzuziehen.
Die Ereignisse in den Mitgliederstaaten des Warschauer Paktes im Herbst 1989 lösten bei Stasi und KGB geradezu Panik aus. Nach Auffassung der Offiziersgruppe, die eine harte Linie fahren wollte, gab es nichts mehr zu verlieren. Mit dem heimlichen Segen ihrer Vorgesetzten trieben sie die Vorbereitungen für Meteor voran, losgelöst von den offiziellen Organisationen des KGB und der Stasi.
Als Objekt wurde Ramstein gewählt, der Luftwaffenstützpunkt der Vereinigten Staaten, wo HVA-Agent Claus Berger eine Beziehung zu der amerikanischen Luftwaffenangestellten Barbara Keller eingegangen war. Mithilfe der Frau erhielt dieGruppe, die an Meteor arbeitete, Zugang zum Stützpunktgelände. Ermutigt wurden sie in ihren Planungen durch eine 1986 in Moskau erfolgreich durchgeführte Operation. Damals hatte eine gewisse Violetta Seina, die im Dienst des KGB stand, den US-Marineinfanteriesoldaten Clayton J. Lonetree verführt, mit dessen Hilfe sie dann KGB-Agenten in die amerikanische Botschaft schleusen konnte, um dort Abhörgeräte zu installieren.
Aber in Ramstein mussten sie in einen besonderen Sicherheitsbereich vordringen, wo mit Atomsprengköpfen ausgerüstete Raketen für Flugzeuge gelagert wurden. Um hineinzugelangen, mussten sie eine Kontrollzone passieren, was eine der größten Herausforderungen des Vorhabens darstellte. Schließlich lösten sie das Problem mithilfe eines finnischen Ingenieurs, der verschiedenen Abteilungen der russischen Streitkräfte westliche Technologie, die der Handelssperre unterlag, lieferte. Auf Bestellung der Meteor-Gruppe nahm jener Ralf Tanner Kontakt mit einem deutschen Unternehmen auf, das Zugangsüberwachungsvorrichtungen für Ramstein produziert hatte, und gab vor, Vertreter einer großen finnischen Firma zu sein. Als er beliefert worden war, kam Tanner persönlich nach Ramstein, um mit einem Gerät die Daten auf der Magnetkarte von Barbara Keller zu manipulieren.
Meteor sollte seine Wirkung wie eine Schockwelle entfalten, die ein überraschendes und großes Ereignis verursachte. Allerdings wurde Meteor dann selbst von einer Schockwelle überrannt, als der Fall der Berliner Mauer im November 1989 für das endgültige Aus für die Operation sorgte. Über Nacht verloren die Stasi-Offiziere ihre Arbeitsplätze, und Meteor wurde aus der Umlaufbahn geschleudert.
Jetzt, mehr als zwanzig Jahre später, wollten sich Kirill und seine Leute die Schockwelle unter den Herausforderungen des neuen Jahrtausends zunutze machen. Einst hatte der Fall der Mauer die Operation gestoppt. Jetzt gefährdete ein finnischerPolizist das
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