Die Schockwelle: Thriller (German Edition)
hatte, nach Helsinki zu kommen, hatte sich Elina gefreut und ihr angeboten, anstatt im Hotel bei ihr zu wohnen.
Elina legte sich hin, obwohl sie sicher war, keine Sekunde schlafen zu können.
Die Worte ihres Vaters kreisten hartnäckig in ihrem Kopf. War vielleicht doch etwas daran? Sollte sie nachgeben?
Nein. Sie war schon immer hartnäckig gewesen. Nachdem sie in Oxford über die Aktivitäten des KGB im Finnland der Siebziger- und Achtzigerjahre promoviert hatte, wurde ihre Dissertation, abgesehen von einigen kritischen, abweisenden Besprechungen, in Finnland totgeschwiegen. Gerade so, alswäre eine im Ausland vorgelegte Doktorarbeit über die politische Geschichte Finnlands weniger wert.
Als sie sich auf die Seite drehte, meinte sie, draußen ein Knacken zu hören. Sie musste jetzt ihre Fantasie im Zaum halten.
Vor ihm im Regen tauchte ein weiß verklinkertes Einfamilienhaus auf. Andrej Nowikow hielt am Straßenrand an, als er das Fahrzeug sah, das davor geparkt war.
Er sah zum Haus hinüber. In dieser Gegend wohnten gut situierte Leute, das wusste er, denn er hatte mehrere Jahre in Helsinki gelebt. In einem Fenster brannte noch Licht. Er würde so lange warten, bis es erlosch.
In der Wohnung am Karhupuisto war er unvorsichtig gewesen und hatte sich deswegen einiges anhören dürfen. Entgegen seiner Information war die Mieterin doch zu Hause gewesen. Er hätte die gesamte Wohnung gründlich überprüfen müssen.
Allerdings war seine letzte Aktion dieser Art eben auch schon eine Weile her.
Er öffnete das Handschuhfach und nahm eine Pistole mit Schalldämpfer heraus. Diesmal würde er alles richtig machen.
6
»Es kann auch sein, dass ein Einbrecher in die Wohnung eingedrungen ist, der von der anwesenden Vera Dobrina überrascht wurde und sie daraufhin getötet hat.«
Ministerin Sirkka Timonen schaute in ungläubige, geradezu bestürzte Gesichter, ließ sich davon aber nicht irritieren. »Die Ermittlungen kommen zügig voran, und ich bin zuversichtlich, dass der Fall rasch aufgeklärt sein wird.«
Sie verlas die Pressemeldung auch auf Englisch, warf einen Blick auf Polizeipräsident Mäenpää und Dezernatsleiter Jalava, die neben ihr am Tisch saßen, und sagte dann ins Mikrofon: »Fragen? Questions? «
Der ganze Saal hob die Hand. Der erste Journalist, der das Wort erhielt, sprach laut und deutlich.
»Oscar Mårtens, TT. Ist es nicht wahrscheinlicher, dass es sich um einen politischen Mord handelt anstatt um einen Einbruch?«
»Aus der Wohnung wurde einige Gegenstände entwendet. Hätte man Frau Dobrina gezielt ermorden wollen, hätte man das auch woanders tun können als in einer Privatwohnung in Helsinki.«
»Bei einigen früheren Morden an russischen Dissidenten und Journalisten haben die Spuren zu staatlichen Institutionen geführt. Wäre es nicht auch jetzt möglich, dass der Kreml hinter dem Mord an Frau Dobrina steckt?«
»Selbstverständlich werde ich über solche Fragen keine Vermutungen anstellen.«
»Falls die russische Führung dahintersteckt – welche Ziele verfolgt sie, wenn sie eine bekannte Dissidentin ausgerechnet in Finnland ermorden lässt?«
»Solche Spekulationen sind sinnlos«, erklärte Timonen knapp und erteilte schnell dem nächsten Journalisten das Wort.
»Leo Pesonen, Ilta-Sanomat . Laut den Informationen, die wir erhalten haben, wurde der Mord in einer Wohnung im Helsinkier Stadtteil Kallio begangen. Wo hielt sich die Eigentümerin beziehungsweise die Mieterin der Wohnung zur Tatzeit auf?«
Timonen warf dem Polizeipräsidenten einen kurzen Blick zu, doch der schien in bewundernswerter Weise seine im Lauf der Jahre erworbene Gelassenheit zu wahren. Hatte ein Polizist bereits etwas an die Presse durchsickern lassen?
»Das werden wir aus ermittlungstaktischen Gründen nicht kommentieren«, antwortete Mäenpää.
»Es heißt, die Mieterin sei eine junge finnische Historikerin, die in der Öffentlichkeit ziemlich scharfe Behauptungen über Russland aufgestellt hat. Trifft diese Information zu?«
»Kein Kommentar.«
Sirkka Timonen schwitzte, und allmählich bekam sie Kopfschmerzen. Das Ganze entwickelte sich in eine äußerst unangenehme Richtung. Sie verspürte eine unwiderstehliche Lust, nach der vor ihr stehenden Karaffe zu greifen und sich kaltes Wasser über den Kopf zu gießen.
Riku benutzte keine Taschenlampe, obwohl es in dem feuchten Wald stockfinster war. Der Schein der Straßenbeleuchtung in der Ferne spendete gerade noch so viel Licht, dass er wusste,
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