Die Schockwelle: Thriller (German Edition)
Bergbaustadt mitten in der Sahara.
Wieder kam Didier der Traum von letzter Nacht in den Sinn. Der rote Staub hatte seinen Vater mitgenommen, so wie viele andere in Arlit im Niger vor ihm.
Allerdings hatte der ruhige Ausdruck auf dem Gesicht des Vaters auch etwas Tröstliches gehabt. Er hatte sich von seinem Sohn verabschiedet und auf die letzte Reise sein mit Salz und Datteln beladenes Kamel mitgenommen.
Aber Didier hätte noch viele Jahre zusammen mit seinem Vater auf dieser Welt verbringen können, hätte es nicht diesen französischen Konzern gegeben, der im Niger Uran abbaute und in Finnland ein Atomkraftwerk errichtete.
Sein Vater hatte in der Mine von Arlit gearbeitet, wo das Uran vom Gesteinsmaterial getrennt wurde. Jeden Abend, wenn er nach Hause kam, war sein Overall voller Staub. Erst später, als die ersten Minenarbeiter starben, verstand man, dass der Staub etwas Geheimnisvolles und Böses an sich hatte.
Didier fing an, in derselben Brechanlage zu arbeiten, aber sein Vater wollte, dass es sein Sohn im Leben zu mehr bringe.Er sprach mit dem Chef, und schließlich gehörte Didier zu den Glücklichen, die für die Berufsschule des Konzerns ausgewählt worden waren, und er absolvierte eine Lehre zum Elektriker. Wahrscheinlich hätte er sein ganzes Leben in der Urangrube und in der um sie herum errichteten Wüstenstadt Arlit verbracht, wäre er nicht Vertretern der Umweltorganisation Sherpa begegnet.
Ein französischer Arzt hatte darum gebeten, Didiers Vater wegen dessen Husten untersuchen zu dürfen. Seine Diagnose war dann eine gänzlich andere als die des Betriebsarztes. Der erklärte stets, wenn ein Grubenarbeiter bei ihm über seine Symptome klagte, es handle sich um Aids. Keiner litt an von radioaktiver Strahlung verursachten Krankheiten. Daher zahlte der Konzern auch keine Entschädigungen.
Als Didier begriffen hatte, wie skrupellos der französische Konzern in Arlit vorging, führte er Vertreter von Sherpa heimlich zu verschiedenen Stellen des Grubenareals, damit sie Strahlenmessungen vornehmen konnten. Ihm war klar geworden, welchen Einflüssen sein Vater, er selbst und seine ganze Familie ausgesetzt waren. Der rote Staub, der sich überall niederließ, war radioaktiv und tödlich. Die Grube von Arlit wurde auf Kosten der Gesundheit der Einheimischen betrieben, wobei sie Energierohstoff für die Völker im Norden produzierte. Es hatte Didier schon immer rasend gemacht, dass der Niger eines der ärmsten Länder der Welt blieb, während die multinationalen Energiekonzerne mit den Bodenschätzen des Landes reich wurden.
»Sagt meiner Mutter, dass ich so schnell wie möglich zur Beerdigung aus Lyon zurückkomme.«
Didier wollte nicht das geringste Risiko hinsichtlich seiner Aufgabe in Olkiluoto eingehen. Deshalb hatte er auch die Sherpa-Mitarbeiter angelogen, indem er ihnen sagte, er sei in Lyon bei einem Fortbildungslehrgang der Strom- und Elektronikbranche.
Er biss sich auf die Lippe und kämpfte gegen die Tränen an. Sollte er irgendwann zögerlich gewesen sein, so war er es jetzt nicht mehr.
Er war bereit.
7
Andrej Nowikow zog die Hintertür des weißen Backsteinhauses so lautlos wie möglich hinter sich zu. Die alte Tür war nicht einmal abgeschlossen gewesen und die Falle nicht mit einem Sperrblech gesichert, sodass es keine Schwierigkeiten bereitet hatte, sie mit der Plastikkarte zu öffnen.
In fast vollkommener Dunkelheit zog Nowikow die Pistole. Er erreichte das Ende des Flurs und sah in die Küche. Der Kühlschrank brummte, und das Signallämpchen sorgte für einen schwachen, grünlichen Lichtschein.
Das Wohnzimmer befand sich auf der rechten Seite.
Plötzlich war etwas im ersten Stock zu hören.
Schritte.
Jemand kam die Treppe herunter.
Nowikow huschte um die Ecke des Flurs und drückte sich an die Wand.
Risto Aro ging im Morgenmantel durch das Wohnzimmer in die Küche und knipste das Licht an der Dunstabzugshaube an. Er öffnete den Kühlschrank und griff nach einer Packung Orangensaft.
Als er Saft in ein Glas goss, spürte er die Anwesenheit eines anderen Menschen.
Er blickte auf und erschrak.
Elina stand im Nachthemd in der Küchentür.
»Ich dachte, du schläfst«, sagte ihr Vater.
»Ich hatte einen Albtraum.« Sie öffnete den Hängeschrank,um sich ein Glas zu nehmen. »Und dann bin ich aufgewacht, und mir wurde klar, dass das gar kein Traum war.«
Sie nahm die Saftpackung von der Spüle und goss sich ebenfalls ein Glas ein.
»Elina … Ich möchte mich
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