Die schöne Ärztin
aber nicht stimmberechtigten Pater Wegerich auf die Palme. Er erhob sich und fragte laut:
»Was heißt hier Verwendungsplan?!«
Die Köpfe der Männer um den runden Tisch wandten sich ihm zu, Fritz Sassen und Kurt Holtmann, als Vertreter der Arbeitnehmer, nickten. Genau das gleiche hatten sie sich auch gedacht, nur war der Pater schneller mit dem Wort gewesen. Dr. Vittingsfeld räusperte sich.
»Obwohl ich nicht verpflichtet bin, Zuschauern Rechenschaft zu geben –«, er legte auf das Wort Zuschauer einen dicken Akzent – »will ich die Frage beantworten, da sie im nächsten Atemzug von den Vertretern der Arbeitnehmer sowieso auch gestellt würde. Also –« Er blickte auf das vor ihm liegende Blatt Papier. »Die Spenden haben einen gegenwärtigen Kontenstand von DM 345.587,19. Das ist beachtlich. Hinzu wird die vom Bund versprochene Zuwendung von rund 500.000 Mark kommen. Da der Spendenfluß noch nicht abreißt, können wir also mit einer Summe von 1 Million rechnen. Aus dem Katastrophenfonds fließen uns noch einmal 1,2 Millionen zu, so daß wir über 2,2 Millionen DM verfügen. Diese Summe soll wie folgt verteilt werden: 1,2 Millionen – je nach Notlage – an die 230 Familien, deren Ernährer dem Unglück zum Opfer gefallen sind, und 1 Million – vorerst – zum Ausbau der Grubensicherung in Schacht V, vor allem zum Einbau neuer Wetterabzüge.«
In dem Sitzungssaal von Emma II breitete sich nach diesen Worten tiefes Schweigen aus. Dr. Vittingsfeld schloß seine Akte. Es war dann Pater Wegerich, der die mit Elektrizität geladene Luft fast zum Bersten brachte.
»Das ist ja unerhört!« sagte er laut.
»Das ist – auf gut deutsch gesagt – eine Sauerei!« rief Kurt Holtmann. Dr. Vittingsfeld wurde rot, aber er beherrschte sich.
»Was erregt Sie so, meine Herren?« Er sah sich im Kreise um. »Gerade aus Ihrer Mitte kam doch immer der Vorschlag, die Bewetterung zu verbessern.«
»Aber nicht mit den Spendengeldern, die für die Waisenkinder gedacht sind! Tausende von Bürgern zahlen ihre Spenden in dem Glauben, daß den Familien geholfen wird … und was wird damit gemacht? Man nimmt das Geld und pflastert damit sozusagen die Fehler der Zechenleitung zu.« Kurt Holtmann hieb mit der Faust auf den Tisch und rief noch einmal: »Das ist eine Sauerei!«
Dr. Vittingsfeld sah den Hauer Holtmann aus zusammengekniffenen Augen an. Es war ein Blick voller Haß und Gift, ein gefährlicher Blick, der alles versprach, was in der Macht der Zechenherren lag.
»Wenn wir das Geld voll auszahlen würden«, sagte Dr. Vittingsfeld langsam, »hieße das, daß jede Familie der im Berg Gebliebenen mehr als 10.000, – DM bar in die Hand bekäme. Können Sie sich vorstellen, was das bedeutet? Die Frauen würden überschnappen. Das Geld würde ihnen zwischen den Fingern zerrinnen, meistenteils für nutzlose Einkäufe. Das wäre ja Wahnsinn.«
»Es war Wahnsinn, ihre Männer in einen Berg zu schicken, der von Monogas stank!« antwortete Pater Wegerich. »Und es ist eine Ungeheuerlichkeit, nun die Frauen der Toten der Verschwendung zu bezichtigen. Das ist eine Anmaßung.«
»Bei Gott und in Gottes Reich ist alles wohlgeordnet, Pater!« Die Stimme Dr. Vittingsfelds troff vor Spott. »Im Himmel gibt es keine Währung, es sei denn, wer am besten singt, bekommt die schönsten Flügel!«
»Herr Doktor!« Pater Wegerich sprang auf. Vittingsfeld winkte ab.
»Hier auf Erden«, fuhr er fort, »lebt der Mensch nicht im abgeklärten Zustand, sondern mit allen seinen Schwächen. Und die größten dieser Schwächen zeigen sich im Zusammenhang mit Geld. Verschwendung zählt dazu, um so mehr, je niedriger die gesellschaftliche Stufe ist, auf der sie stattfindet.«
»Danke.« Kurt Holtmann sprang auf. »Da man uns Bergleute also in den Augen der Zechenherren als Halbwilde ansieht, habe ich hier nichts mehr zu suchen, sondern kehre in den Kral zurück, aus dem wir ja kommen. Wir werden Ihnen die Antwort geben, Doktor Vittingsfeld.«
»Bitte.« Der Generaldirektor hob die Schultern. »Mit Drohungen schüchtern Sie mich nicht ein. Sie nicht!«
»Ich darf mich Herrn Holtmann anschließen.« Dr. Fritz Sassen erhob sich gleichfalls und klemmte sich seine Aktentasche unter den Arm. »Ich protestiere gegen die Verwendung der Spendengelder für den Zechenausbau. Das Spendengeld hat voll den Waisen zuzufließen.«
»Protestieren Sie nur!« Dr. Vittingsfeld sprang ebenfalls auf und verlor die Ruhe. Mit der Faust hieb er auf den Tisch. »Wissen Sie
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