Die schöne Ärztin
habe gar nicht gehört, daß ihr gekommen seid.«
»Das war auch beabsichtigt von uns.« Die Stimme Fritz Sassens klang in der Dämmerung doppelt laut. »Wir möchten dich sprechen, Veronika.«
»Mich? Aber gern! Was gibt's?« Sie warf sich in einen der Sessel und schlug die schönen, langen Beine übereinander. So sicher sie sich gab, in ihren Augen flimmerte Unsicherheit.
»Was macht Vater?« fragte Fritz.
»Vater unterhält unsere Gäste mit Anekdoten aus seinem Leben.«
»Wir sind also hier sicher vor ihm?«
»Ja. Mein Gott, wie geheimnisvoll! Was ist denn los?« Veronika sah zwischen Fritz und Waltraud hin und her. »Stimmt was nicht? Bekommt Waltraud ein Baby?« Sie lachte gezwungen. »Ich würde das ziemlich unhöflich finden, mich in meinem Alter schon zur Großmutter zu machen.«
»Ich möchte Vater ersparen, daß er seine zweite Frau wie einen verlausten Hund aus dem Hause jagt«, sagte Fritz Sassen hart.
Veronika sprang mit einem Laut auf, der wie ein Ächzen klang. »Bist … bist du betrunken, Fritz?« rief sie. Dabei starrte sie Waltraud Born an und erkannte, daß deren Blick abweisend, ja feindlich war. »Ich habe keine Lust, mich von euch anpöbeln zu lassen!« erklärte sie und machte kehrt. Aber bevor sie die Türklinke anfassen konnte, hielt sie der Anruf Fritz Sassens zurück.
»Du bleibst!«
»Was ist das für ein Ton?«
»Es werden gleich noch andere Töne angeschlagen werden!« Fritz Sassen steckte die Hände in die Hosentaschen. Er mußte seine Hände verbergen, die sich vor Aufregung zu Fäusten ballten. »Wir sind drei erbberechtigte Kinder, Sabine, Oliver und ich. Ich verpflichte mich, dir den Erbteil, der dir zusteht, zukommen zu lassen, wenn du unsere Familie schnellstens verläßt.«
Veronika lehnte sich gegen die Tür. Vor ihren Augen tanzten die Rücken der Bände in den Bücherregalen.
»Bist du verrückt?« stammelte sie. »Ich werde deinen Vater rufen –«
»Das wirst du schön unterlassen! Es gibt da eine verfallene Gartenlaube im Bergener Bruch –«
Aus dem Gesicht Veronikas wich alles Blut. Sie drückte die Hände gegen die Brust und hatte das Gefühl, ersticken zu müssen.
»Du bist wirklich nur betrunken«, sagte sie kaum hörbar.
»Ich dankte Gott, wenn ich's wäre! Soll ich noch deutlicher werden?«
»Ich weiß gar nicht, wovon du faselst.«
»Von einem Italiener Luigi Cabanazzi, der schuld am Tode von mehr als 200 Bergleuten ist und den die Frau des Bergwerkdirektors verborgen hält und verpflegt, mit Essen, Trinken und Liebe …« Fritz Sassen warf den Kopf in den Nacken. »Die Frau meines Vaters eine erbärmliche Nutte – man sollte dich mit dem Kopf gegen die Wand schlagen, du Luder!«
Einen Augenblick war es völlig still in dem dunklen Zimmer. Dann wankte Veronika zurück zum Sessel und setzte sich wieder.
»Wer hat uns gesehen?« fragte sie tonlos.
»Dem Himmel sei Dank – nur Waltraud.«
»Durch Zufall«, sagte Waltraud Born. »Sie brachten Cabanazzi Essen, und er lief Ihnen entgegen und küßte Sie.«
Veronika Sassen schwieg. Sie stützte das Kinn auf die zusammengelegten Fingerspitzen und starrte gegen die Bücherwand.
»Ja«, sagte sie endlich leise. »Es ist so. Und was nun?« Sie blickte auf, in ihren gefährlichen Katzenaugen standen Tränen. »Wollt ihr ihn der Polizei übergeben? Wollt ihr ihn von seinen Landsleuten töten lassen?«
»Er hat den Schacht explodieren lassen.«
»Aber doch nicht vorsätzlich! Es war ein Versehen, es war nichts als Leichtsinn.« Veronika sah Fritz Sassen flehend an. »Du wirst mich hassen, Fritz. Du hast ein Recht dazu. Ich bin in euer Leben eingebrochen, weil euer Vater sich in mich verliebte. Ich wollte ihn nie heiraten, nie, glaub es mir. Ich habe mich länger als ein Jahr gewehrt, bis ich merkte, daß ich schwanger war. Da konnte ich nicht mehr nein sagen, das Kind sollte seinen Vater haben. Nur um Olivers willen habe ich euern Vater geheiratet – nicht wegen seines Geldes.«
»Und Oliver?« Fritz Sassen kannte kein Mitleid mehr. »Ist Oliver wirklich der Sohn von Vater?«
»Ja. Das schwöre ich euch! Aber was soll das jetzt alles? Euer Vater war ein Narr – und er glaubte, mich kaufen zu können wie alles, was er sich im Leben errungen oder erworben hat. Er wollte meine Jugend als Medizin für sich benutzen. Meint ihr, ich hätte das nicht gemerkt? Gut, ich habe ihm sozusagen die Lebenstropfen gegeben, aber ich bin eine Frau und verlange mehr als Pelze und Schmuck und ein Streicheln welker
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