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Die schöne Ärztin

Die schöne Ärztin

Titel: Die schöne Ärztin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Zeitlang stumm und fast unbeweglich auf dem Hocker gesessen hatte, stand er schnell auf, nickte Dr. Born wortlos zu und verließ wieder auf Zehenspitzen das Schlafzimmer.
    Die Aufklärung aller ihn beschäftigenden Fragen kam für ihn schnell und war so schrecklich banal, daß Dr. Sassen den Kopf schüttelte.
    Das Hausmädchen berichtete ihm von dem Anruf, den sie entgegengenommen und trotz der falschen Verbindung an die gnädige Frau im Beisein Olivers weitergegeben hatte. Dr. Sassen strich sich verwirrt über die weißen Haare.
    »Also – eine unbekannte Stimme sagte: ›Heute abend wird es in der Buschener Heide brennen.‹ Weiter nichts?«
    »Nein, Herr Direktor.« Das Hausmädchen schüttelte den Kopf.
    »Danke.«
    Wie einfach doch alles ist, dachte Dr. Sassen, als er allein am Fenster der Bibliothek saß und auf seinen Garten hinaussah. Oliver hörte von dem Gespräch und ist neugierig. Mit dem Rad fährt er hinaus, um zu sehen, was und wie es brennt. Ich hätte als Junge das gleiche getan. Veronika muß das erfahren haben und ist ihm in die gefährliche Heide nachgefahren, um ihn zurückzuholen. Als sie eintraf, war das Unglück schon geschehen. So ist es gewesen und nicht anders. Wie einfach sich doch oft die schwierigsten Rätsel lösen.
    Er dachte in diesen Augenblicken innerer Freude nicht daran, daß es in der Buschener Heide ja gar nicht gebrannt hatte. Er fühlte sich von einem inneren Druck befreit und nahm sich vor, vorerst weder Oliver noch Veronika nach dem Hergang des Unglücks zu fragen. Sie sollen Ruhe haben, dachte er. Und dann schicke ich sie zur Erholung in ein Bad oder in die Alpen oder an die Nordsee. Sie sollen ihren Schock erst überwinden. Oliver lebt – das ist die Hauptsache.
    Er nahm sich vor, Veronika am nächsten Morgen mit Blumen zu überschütten und ihr zu danken für ihren Mut.
    Er lebte in einer Welt von Vertrauen und Liebe, deren Zusammenbruch ein vollkommener sein mußte.
    Im Italiener-Lager, dem Klein-Sizilien von Buschhausen, hatte sich im Gemeinschaftsraum eine Art Gericht versammelt. Zwei Tische waren zusammengeschoben worden, mit einer Wachstuchdecke belegt, dahinter saßen sieben Italiener mit ernsten, verschlossenen Mienen. Vor den Tischen stand Luigi Cabanazzi, und hinter ihm, an den Wänden stehend, eine lebende Mauer bildend, drängten sich die anderen Arbeiter.
    Die Wände selbst waren drapiert mit bunten Reiseplakaten italienischer Landschaften und Städte. Ein farbenfroher Hauch der Heimat, gedruckte Erinnerung, leuchtende Sehnsucht nach Sonne und Wärme, Meer und Felsen, rebenbestandenen Hängen und staubigen Straßen mit Eselskarren. Abends saßen sie vor diesen bunten Plakaten und spielten Mandoline oder sangen, erzählten Geschichten und diskutierten und fühlten sich ein bißchen wie auf der Piazza von Agremonte oder Pianello. Sie hatten einen Hauch der Heimat mitgenommen in den rauchigen, rußigen Kohlenpott. Wenn es auch nur Plakate waren, bei ihrem Anblick konnte man träumen und man spürte den Geschmack auf den Lippen – die herbe Süße des Weins, die Salzluft des Meeres, den Himbeerduft von Fiorellas Lippen.
    Cabanazzi starrte auf die bunten Plakate vor sich. Palermo, dachte er. Der Ätna. Die Klippen von Vulkano. Die Weinhänge von Marsala. In den nächsten Jahren würde er sie nicht wiedersehen können. Es brauchte alles seine Zeit, und das Vergessen wächst langsamer als das sprichwörtliche Gras.
    »Was soll das, Freunde?« sagte er und sah von den Plakaten auf die starren Gesichter der sieben Landsleute hinter den beiden Tischen. »Wir spielen doch nicht Indianer!«
    »Wir haben ein Komitee gebildet.« Einer der sieben beugte sich etwas vor. »Hier siehst du die Gewählten. Das Komitee ist dazu da, für Ordnung und Sitte zu sorgen. Wir sind nach Deutschland gekommen, um Geld zu verdienen, viel Geld, so viel Geld, wie wir es in der Heimat nicht in zehn Jahren verdienen können! Wir sind hier, damit unsere Frauen und Kinder nicht weiter zu hungern brauchen, damit sie sich anziehen können wie andere Frauen, damit wir unsere Häuser ausbessern können, damit wir etwas von unserem Leben haben. Das alles können wir bekommen, hier in Deutschland, wenn wir arbeiten und uns anständig benehmen. Wir sind hier zu Gast, man braucht uns, natürlich, aber ebensogut kann man uns wieder wegschicken. Und was dann? Dann hungern unsere Frauen wieder und unsere Dörfer verfallen.«
    Luigi Cabanazzi blickte abermals auf die bunten Plakate an der Wand. Sein Mund

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